Eine Frau zum Heiraten

verdrängt zu werden, indem sie …”
    “Als ich John geheiratet habe, wusste ich, wie sehr er Paula liebte”, entgegnete sie wütend. “Ich wusste damals, dass …”
    “Was? Dass er Sie nur für dieses Haus brauchte, das er in einen Schrein für sie verwandelt hatte? Und damit waren Sie glücklich? Sie haben das akzeptiert?”
    Sein verächtlicher, ungläubiger Tonfall veranlasste Claire, sich zu verteidigen. “Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von der Ehe.”
    “Ach nein?”, erkundigte Alex sich herausfordernd. “Ich weiß genauso gut wie jeder andere Mann, wie es ist, ein Mann zu sein. Warum sind Sie aus Ihrem … Entschuldigung, Johns Schlafzimmer ausgezogen?”
    “Ich … Nach Johns Tod wollte ich nicht …”
    “Was wollten Sie nicht? Ihr Bett mit einem Geist teilen? Komisch, denn während Ihrer Ehe hatten Sie es doch schon mit dem Geist seiner ersten Frau geteilt.”
    Claire wirkte entsetzt, und in ihre Augen trat ein gequälter Ausdruck. Kaum hatte Alex die grausamen Worte ausgesprochen, wusste er, dass er zu weit gegangen war, aber nun war es zu spät. Er fluchte leise und fragte sich, was ihn dazu getrieben hatte, einem anderen Menschen so nahezutreten – ausgerechnet er, der schon vor Jahren gelernt hatte, die Gefühle anderer nicht zu verletzen. Wie hätte er sonst vier Schwestern großziehen können?
    Warum?, fragte er sich. Woran liegt es bloß, dass diese Frau mich so provoziert und ich so aggressiv darauf reagiere?
    “Es tut mir leid”, entschuldigte er sich schließlich leise. “Sie haben recht, es war nicht richtig von mir. Es ist nur …” Wieder deutete er auf das Foto. “Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mir immer vorstelle, wie es wäre, wenn Sie meine Schwester wären. Es ist sicher nicht leicht für Sie gewesen, mit einem Mann verheiratet zu sein, der …”
    “Der was?”, wiederholte Claire herausfordernd. “Der seine erste Frau mehr geliebt hat als mich?” Sie verzog ein wenig den Mund, als sie merkte, dass er den Blick abgewandt hatte. Offenbar hatte sie ihn in Verlegenheit gebracht. Das geschah ihm ganz recht. Schließlich hatte er sie auf ihre Ehe angesprochen, und das war das Mindeste, was er verdiente, nachdem er das zu ihr gesagt hatte … ihr das angetan hatte.
    “Ich bin aber nicht Ihre Schwester”, erklärte sie heftig, “und meine Beziehung zu John … Unsere Ehe war …” Plötzlich verstummte sie, denn ihr traten Tränen in die Augen.
    “Sie müssen ihn sehr geliebt haben”, meinte Alex schroff, während er sich fragte, was für eine Rolle Tim in ihrem Leben spielen mochte.
    Claire musste sich eingestehen, dass es in gewisser Weise stimmte. Allerdings hatte sie John vielmehr geschätzt als geliebt – für das, was er für sie getan hatte. Das würde sie jedoch niemandem erzählen, schon gar nicht dem Mann, der jetzt vor ihr stand.
    “Er ist bereits seit über zwei Jahren tot, und Sie erhalten dieses Haus wie einen Schrein für ihn”, bemerkte Alex. “Warum?”
    Verzweifelt fragte sie sich, ob alle Amerikaner so direkt waren und sich so offensichtlich in anderer Leute Privatangelegenheiten einmischten. Konnte sie ihm denn nicht begreiflich machen, dass seine Fragen viel zu persönlich waren?
    “Es war ihr Zuhause”, erwiderte sie ausweichend. Sie hoffte, er würde das Thema endlich fallen lassen und ihr sagen, warum er bei ihr aufgetaucht war.
    Doch er dachte überhaupt nicht daran, sondern bohrte weiter. “Ja, es
war
ihr Zuhause, und sie ist ein Teil der Vergangenheit. Sie leben aber auch in der Vergangenheit und sollten sie besser hinter sich lassen. Das hier ist die Gegenwart.”
    Er bemerkte, wie ihr Gesichtsausdruck sich veränderte und sie sich verspannte.
    “Man kann die Vergangenheit nicht immer so leicht hinter sich lassen”, erklärte Claire leise. “Selbst wenn man es will …” Da sie abrupt verstummte, vermutete er, dass sie bereits mehr gesagt hatte, als sie beabsichtigt hatte.
    “Warum sind Sie noch einmal zurückgekommen?”, erkundigte sie sich dann. “Haben Sie Ihre Meinung geändert?”
    Sie will eigentlich gar nicht, dass ich bei ihr einziehe, dachte Alex. Zweifellos hatte ihre Schwägerin sie unter Druck gesetzt. Aber warum? Wollte Irene verhindern, dass Tim seinen Job verlor, oder wollte sie ihre Ehe retten?
    Unter normalen Umständen hätte er in einer solchen Situation einen Rückzieher gemacht, aber ihm wurde klar, dass er den Kontakt zu Claire nicht verlieren wollte – noch nicht … nicht bevor