Eine Frau zum Heiraten
richtigen Mann!”, meinte Hannah, während sie noch einen Keks aß, den sie vom Blech stibitzt hatte. Inzwischen waren Claire und sie wieder allein und saßen in der Küche. “Er ist ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich dachte, er hätte einen Bürstenschnitt und würde karierte Anzüge in grellen Farben tragen. Aber Zähne hat er …”, fuhr sie nachdenklich fort. “Amerikaner haben immer so gute Zähne – damit sie dich besser fressen können, meine Liebe.” Sie lächelte breit, als Claire ihr einen misstrauischen Blick zuwarf. “Und er sieht so aus, als wäre er auf dem Gebiet nicht schlecht …”
“Wenn du damit andeuten willst, was ich glaube”, begann Claire, schüttelte jedoch den Kopf, als Hannah ihr ins Wort fiel.
“Ich will gar nichts andeuten. Ich will damit nur sagen, dass er sehr … sexy ist. Vielleicht ist an dem Brauch mit dem Brautstrauß doch etwas dran.”
“Hannah!”, warnte Claire.
“Schon gut, schon gut. Ich weiß, du hast geschworen, enthaltsam zu leben. Ich sage ja gar nichts mehr. Es ist nur so schade …”
Nachdem Hannah sich verabschiedet und die restlichen Kekse mitgenommen hatte, ging Claire nach oben. Vor der Tür zum großen Schlafzimmer blieb sie stehen und öffnete sie langsam, ja fast widerwillig. Auf der Schwelle zögerte sie wieder, bevor sie schließlich das Zimmer betrat.
Dies war das Zimmer, das sie während ihrer Ehe mit John geteilt hatte, doch als sie in der Mitte stehen blieb, vermochte nichts sie daran zu erinnern, denn es wirkte leer und steril.
Die Atmosphäre des Raumes vermittelte dem Betrachter nicht das Gefühl, dass hier zwei Menschen, die sich liebten, zusammen gelebt, zusammen gelacht und geweint, sich gestritten und wieder versöhnt hatten. Sie hatte Alex Stirnrunzeln gesehen, als er sich umgeschaut hatte, und befürchtete, dass es ihm auch aufgefallen war.
Es war seltsam, wie man sich an bestimmte Dinge gewöhnte, sie akzeptierte und sie schließlich für ganz normal hielt. Man sah sie erst aus einer anderen Perspektive, wenn man von einem anderen Menschen darauf aufmerksam gemacht wurde.
Als sie über die ohnehin glatte Decke strich, stellte Claire fest, dass ihre Hand zitterte. Diese Dinge gingen niemanden etwas an. Und sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass je irgendein anderer Mensch die Wahrheit über ihr Leben und ihre Ehe herausfinden würde – es sei denn, sie würde es jemandem erzählen, und das würde sie niemals tun.
Alex war mitten in seiner Besprechung mit Tim, als er feststellte, dass seine Brieftasche weg war. Nachdem er alles, was er an diesem Tag gemacht hatte, noch einmal im Geiste hatte Revue passieren lassen, kam er zu dem Ergebnis, dass er sie in Claires Haus verloren haben musste, als er sich über die Dusche gebeugt hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr und entschied, dass es schneller und einfacher sei, gleich zu Claire zu fahren, statt sie erst anzurufen.
Daher unterbrach er höflich Tims langatmige Ausführungen über das launische Wetter in England und dessen Auswirkungen auf den Verkauf von Klimaanlagen, indem er erklärte, dass er noch etwas Dringendes erledigen müsse.
Als Alex seinen Wagen in der Auffahrt parkte, sah er, dass die Hintertür zu Claires Haus ein wenig geöffnet war. Das erinnerte ihn an seine Kindheit, und nachdem er ausgestiegen war, betrat er, ohne nachzudenken, einfach das Haus.
Er traf Claire im Wohnzimmer an. Sie war gerade dabei, eines der Fotos in den Silberrahmen abzustauben. Als sie ihn bemerkte, stellte sie es beinah schuldbewusst schnell wieder auf den Tisch. Aus irgendeinem Grund machte ihr Verhalten ihn wütend. Er deutete unvermittelt auf das Foto und erkundigte sich schroff: “Hat es je eine Zeit gegeben, in der Sie eifersüchtig auf sie waren und sich wünschten,
Sie
würden für ihn an erster Stelle stehen statt immer in ihrem Schatten?”
Claire war errötet – vor Schreck, weil er einfach so hereingeplatzt war, und vor Verlegenheit, weil sie sich von ihm ertappt fühlte. Nun glühten ihre Wangen vor Zorn.
“In Ihrem Land ist es vielleicht üblich, in anderer Leute Privatsphäre herumzuschnüffeln, sie zu kritisieren und intime Fragen zu stellen, in diesem aber nicht”, warf sie ihm vor. “Meine Ehe …”
“Ihre Ehe! In meinem Land bezeichnen wir die Art von Beziehung, die Sie mit Ihrem Mann hatten, nicht als Ehe”, erklärte Alex spöttisch. “In
meinem
Land würde keine richtige Frau es einfach so hinnehmen, auf den zweiten Platz
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