Eine fremde Welt 3 - Fiona
bringen, das, was mit ihr passiert ist, in
einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das braucht Geduld und die
habe ich, wie ich bemerke, bei Fiona nicht. Ich will sie erleben, wieder so
haben, wie sie war, vor dieser Entführung, obwohl ich genau weiß, dass
das nicht möglich ist, vertraue ich darauf, dass sie es schafft. Dann die
Tatsache, was ich von ihr will. Sex, heftigen, geilen Sex. Sex nach meinen
Vorstellungen, also selbst, wenn es ihr gut gehen würde, ist es fraglich,
ob sie mich nicht zum Teufel jagen würde. Es ist einfach eine verzwickte
Lage. Aber wann war mein Leben schon normal? Wann lief irgendetwas
einfach?
»Hallo Fiona, hast du Lust, ein Weilchen mit mir in den Garten zu
gehen. Etwas spazieren zu laufen, runter an den See?«
Sie dreht sich zu mir um, obwohl ich es nicht gedacht habe, steht sie auf
und nickt.
Ich wandere mit ihr auf dem Klinikgelände umher, erzähle ihr, was wo
ist. Wo sie alles findet, gehe mit ihr den Weg zum See hinunter. »Fiona,
gefällt es dir hier?« Heiser antwortet sie mir: »Ja.« »Gut. Ich möchte, dass
du dich hier wohlfühlst. Sicher fühlst, Fiona. Aber ich möchte auch, dass
du mit mir arbeitest. Es wird ganz ordentlich anstrengend werden, ich
bin streng, was unsere gemeinsamen Sitzungen angeht. Aber, Fiona, du
kannst mir glauben, es hilft. So viel Vertrauen musst du in mich haben.
Ich weiß, es hört sich für dich im Moment falsch und ungerecht an, aber
es gibt Menschen, denen geht es noch viel schlechter als dir, die sind
zum Teil körperlich schwer verletzt. Dazu haben sie fürchterliche,
seelische Blessuren erlitten. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich dich
nicht ernst nehme, deine Verletzungen nicht ernst nehme, das ist nicht
wahr. Aber ich will, dass du einen anderen Blickwinkel darauf hast. Dass
das, was dir passiert ist, kein Grund ist, dir die Pulsadern aufzuschneiden.
Dass es wirklich schlimmere Dinge gibt. Normalerweise mache ich kein
Beispiel, weil jeder Fall anders gelagert ist und jeder das Recht hat, so im
Herzen verletzt zu sein, wie du bist. Ich erzähl dir aber trotzdem von
einer neuen Patientin, damit du siehst oder vielleicht verstehst, was ich
damit meine, etwas mit neuem Blickwinkel zu betrachten.«
Ich erzähle ihr die Geschichte von Emely. Fiona läuft schweigend neben
mir her. Als ich am Ende bin, bin ich kurz still. Von ihr kommt keine
Reaktion. Langsam laufen wir zurück und ich bringe sie auf ihr Zimmer.
Mir scheint, sie ist nachdenklich. »Fiona, ich werde alle Details, was die
Entführung angeht, an die Polizei in Italien weiterleiten. Ich bespreche
das mit dir, damit du es weißt, ich mache nichts hinter deinem Rücken,
aber ich denke, auch du willst, dass diese Kerle ins Gefängnis kommen,
oder?« Wieder keine Reaktion.
An den folgenden Tagen lasse ich Fiona nochmals mit ihren Gedanken
allein. Erst am Sonntagnachmittag gehe ich mit dem Therapieplan für die
erste Therapiewoche zu ihr.
»Hallo Fiona, wie geht es dir heute? Konntest du dich die letzten Tage
etwas erholen?« Sie nickt mir zu. »Ich würde gerne mit dir den
Therapieplan für die nächste Woche durchgehen.« Sie erschrickt.
»Langsam, Fiona. Wir werden dich nicht überfordern, das solltest du
doch wissen. Es sind kleine Schritte, die wir hier machen werden.
Komm, setz dich doch zu mir an den Tisch, wir besprechen alles
zusammen.
Morgen Vormittag möchte ich mich mit dir unterhalten, um zehn Uhr
werde ich dich abholen und wir gehen in ein Therapiezimmer, das wirst
du hassen und lieben lernen. Danach, um elf, werden Paul und auch
Thomas dich nochmals untersuchen. Fiona, schau mich an, bitte, das
wird wieder schnell gehen und ich werde dabei sein, wenn du möchtest.
Damit du wieder zur Ruhe kommst, ist dann Pause und du kannst etwas
essen oder dich hinlegen, ganz wie du willst. Um drei Uhr hole ich dich
nochmals ab und bringe dich zu Selma.« Sie schaut mich fragend an.
»Selma ist eine tolle Ärztin, aber auch eine hervorragende
Physiotherapeutin. Sie wird dich und deinen Rücken etwas verwöhnen.
Das hat nur was mit guttun zu tun, Fiona, keine Therapie, du bist immer
auf Habachtstellung in den letzten Wochen gewesen, deine Muskeln sind
verspannt und hart. Das stimmt doch, oder, Fiona?« Immer wieder locke
ich sie mit Fragen, damit sie mir eventuell antwortet, was mir aber nicht
immer gelingt. »Danach treffen wir beide uns nochmals so um sechzehn
Uhr, einfach um über das, was am
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