Eine für alle
und setzte mich an die Bar, neben dem Fenster, um die Straße im Blick zu haben. Es hatte schon angefangen zu regnen. Dicke, schwere Tropfen zerplatzten auf dem Pflaster wie zerbrechende Eier. Als ich mit dem Rum fertig war, hatten sich die Tropfen in einen schweren Vorhang aus Wasser verwandelt.
Ich fragte mich inzwischen, ob Lotty den Trans Am zu Schrott gefahren habe und zu feige sei, es mir zu sagen. Natürlich entsprach das nicht Lottys Charakter: Sie fürchtete sich nicht vor Konfrontationen. Außerdem sah sie sich als ständiges Opfer anderer tollkühner Irrer.
Wenn ich versuchte, sie zu fragen, warum meine Autos nie so zu Schaden kamen wie die ihren, durchbohrte sie mich mit einem Blick und wechselte das Thema.
Ich ging zum Telefon auf der Rückseite des Restaurants und versuchte, sie anzurufen.
Niemand meldete sich, weder in der Praxis noch in ihrer Wohnung, aber als ich die Zelle verließ, stand Lotty mitten im Raum, vor Wasser triefend, und sah sich nach mir um. Erst als ich auf sie zuging, bemerkte ich, dass sie verletzt war. Sie hatte eine Schnittwunde und eine lila Beule an der Stirn, und ich sah, dass sich auf ihrem rechten Arm Blut mit dem Regenwasser vermischte.
»Lotty!« Ich zog sie an mich. »Was ist dir passiert?«
»Jemand hat mich angefahren.« Ihre Stimme klang dumpf, und sie reagierte steif auf meine Umarmung.
»Dich angefahren? Du meinst, das Auto angefahren?«
»Du, Victoria, ich glaube, ich möchte mich ganz gern hinlegen.«
Ihre starre Haltung machte mir fast so viel Angst wie ihre Verletzungen. Ich fragte mich, ob ich sie in ein Krankenhaus bringen solle. Vielleicht musste ihr Kopf geröntgt werden, aber die Notaufnahmen in Krankenhäusern sind trostlos für jemanden, der unter Schock steht. Also beschloss ich, sie nach Hause zu fahren und dann jemanden zu suchen, der sich um sie kümmern würde. Nachdem ich hastig einen Zwanziger auf den Tresen geworfen hatte, legte ich den Arm um Lotty und hob sie halb hoch, um sie hinauszuführen. Sie hatte den Trans Am verwegen am Randstein geparkt. Trotz des dichten Regens sah ich sofort, dass die Windschutzscheibe gesprungen war. Auch der Scheinwerfer hatte einen Sprung, und der Kühler war eingedellt. Ich unterdrückte eine zornige Aufwallung. Das Auto war schließlich nur ein reparabler Haufen Glas und Metall. Meine Wohnung liegt nur um die Ecke vom Restaurant, aber in ihrem eigenen Zuhause würde Lotty sich wohler fühlen. Ich verfluchte die ausgeleierten Gänge des Cressida und fuhr durch den Wolkenbruch zu Lottys Wohnung an der Sheffield Avenue. Lotty sagte während der viertelstündigen Fahrt überhaupt nichts, schaute nur geradeaus und hielt sich gelegentlich den linken Arm. Sobald ich sie ausgezogen, ins Bett gepackt und mit heißer Milch versorgt hatte, rief ich Max an. Sofort wollte er wissen, warum ich sie nicht ins Krankenhaus gebracht hatte. »Weil - ich weiß nicht - ich mag keine Krankenhäuser. Ich habe schon mit Prellungen und Schnittwunden wie ihren in Notaufnahmen gesessen und mich bloß noch schlechter gefühlt. Kannst du jemanden auftreiben, der sich hier um sie kümmert? Dann könnte der doch entscheiden, ob sie unbedingt ins Krankenhaus muss.«
Max gefiel das nicht. Als Krankenhausverwalter hat er eine andere Einstellung zu diesen Einrichtungen als ich. Aber er meinte auch, wo sie jetzt schon mal zu Hause war, sei es ein Fehler, sie sofort zu verlegen. Er wollte selbst vorbeikommen und vorher noch Arthur Gioia, einen Internisten im Beth Israel, alarmieren. »Du weißt nicht, was passiert ist?«
»Sie hat nichts gesagt. Ich wollte sie zuerst ins Bett bringen.«
Als er schließlich auflegte, ging ich zu Lotty zurück. Ich brachte einen Schwamm und eine Schüssel warmes Wasser mit, um ihr das Blut von der Stirn und dem linken Arm abzuwaschen. Sie hatte die Milch ausgetrunken und lag mit geschlossenen Augen da. Ich setzte mich neben sie und wusch die Wunden aus. »Max kommt her - er macht sich große Sorgen. Und er treibt einen Arzt auf, der nach dir sieht.«
»Ich brauche keinen Arzt. Ich bin selber Ärztin. Ich weiß, dass mir nichts Ernstes fehlt.« Es war eine Erleichterung, sie sprechen zu hören. »Kannst du dich daran erinnern, wie der Unfall passiert ist?«
Sie runzelte ungeduldig die Stirn. »Es war kein Unfall. Ich habe es dir doch schon im Restaurant gesagt, jemand hat mich angefahren. Kannst du bitte etwas Eis für meinen Kopf holen?«
Ich seufzte, als ich in die Küche zurückging - jemand hatte sie
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