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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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zwischen sich und dem Rest der Welt anzubringen brauchte.
    Jason führte mich einen langen, unmöblierten Gang entlang. Die Wände waren mit einem verblassten Golddruck tapeziert, offenbar seit dem Bau des Hauses unverändert. Das Zimmer, in das er mich brachte, zeigte zum ersten Mal, dass die Familie Geld hatte. Es war ein Arbeitszimmer mit Blick auf den kleinen Garten, mit einem Perserteppich in starken Rottönen auf dem gebohnerten Boden, einem zweiten Perser in blasser goldener Seide an der Wand und einem über die Bücherregale verteilten Museumsbestand aus kleinen Statuen.
    »Sie sind doch keines von diesen modernen Mädchen, die nur Weißwein trinken, oder?« Mein Lächeln wurde ein bisschen starr. »Nein. Ich bin eine moderne Frau und trinke Whisky pur. Black Label, falls Sie das im Haus haben.«
    Er lachte, als hätte ich was unglaublich Witziges gesagt, und zog eine Flasche aus dem Schränkchen unter dem seidenen Wandteppich. »Black Label, wer sagt's denn. Schenken Sie sich ein, was Sie wollen, ich schaue inzwischen nach Mutter.« »Ist sie krank, Mr. Felitti?«
    »Ach, sie hatte vor ein paar Jahren einen Schlaganfall und kann nicht mehr gehen. Aber ihr Verstand funktioniert noch, o ja, immer noch messerscharf. Peter und ich können immer noch was von ihr lernen, ja, wirklich. Und die Damen von der Kirche kommen öfter zu Besuch, glauben Sie also ja nicht, dass sie einsam ist.«
    Er lachte wieder und ging auf den Flur zurück. Ich unterhielt mich damit, dass ich müßig die Statuen musterte. Manche Stücke, Miniaturbronzen mit perfekt geformten Muskeln, sahen aus, als stammten sie aus der Renaissance. Andere waren zeitgenössisch, aber ausgesprochen schöne moderne Arbeiten. Ich fragte mich, in was ich investiert hätte, wenn ich Millionen Dollar hätte verteilen können.
    Als Jason fünf Minuten weg war, fiel mir ein, dass ich in dem Zimmer vielleicht Chamfers' Privatnummer finden könnte. Ein großer Lederschreibtisch verfügte über eine verlockende Anzahl von Schubladen. Ich öffnete gerade die mittlere, als Jason zurückkam. Ich tat, als mustere ich einen Miniaturglobus, ein kunstvolles Modell mit einem geschnitzten Sternenhimmel darüber und fantasievoll gestalteten Seeungeheuern, die aus den Ozeanen auftauchten. »Pietro D'Alessandro«, sagte Jason fröhlich und ging zur Bar. »Mein Vater war verrückt nach der italienischen Renaissance - das bewies, dass er es in der Neuen Welt geschafft hatte und trotzdem ein würdiger Nachfahr der Alten geblieben war. Klingt hübsch, nicht wahr?«
    Ich nickte benommen.
    »Warum schreiben Sie es dann nicht auf?« Er goss sich einen Martini ein, stürzte ihn hinunter und schenkte sich einen zweiten ein.
    »Es ist ein eingängiger Satz - ich glaube, ich kann ihn behalten.« Ich fragte mich, ob seine überschwängliche gute Laune Fremden gegenüber ein Anzeichen einer Geisteskrankheit oder von Alkoholismus war.
    »Wetten, dass ein gutes Gedächtnis in Ihrem Beruf eine große Hilfe ist. Wenn ich nicht alles dreifach aufschreibe, vergesse ich es fünf Minuten später. So, jetzt nehmen Sie Platz und sagen mir, was Sie wissen wollen.«
    Ich setzte mich verwirrt in den grünen Ledersessel, auf den er zeigte. »Es geht um Diamond Head Motors, Mr. Felitti. Oder genauer gesagt, um Milton Chamfers. Ich versuche seit zwei Wochen, mit ihm zu sprechen, aber er will nicht mit mir reden.« »Chamfers?« Die blassblauen Augen schienen leicht herauszuquellen. »Sie wollen mit mir über Chamfers sprechen? Ich habe gedacht, in dem Artikel soll es um mich gehen. Oder wollen Sie, dass ich über den Kauf der Firma spreche? Das geht aber wirklich nicht, weil es ein Familienunternehmen ist, und wir sprechen nicht in der Öffentlichkeit über unsere Geschäfte. Natürlich haben wir Obligationen verkauft, aber darüber sollten Sie mit den Banken reden. Allerdings möchte ich ein hübsches Mädchen wie Sie auch nicht enttäuschen.«
    Er war also nicht verrückt - er erwartete eine Reporterin. Ich hätte ihn am liebsten beschimpft, als der letzte Satz herauskam.
    Ich bin so eitel wie jeder Mensch, aber Komplimente über mein Aussehen sind mir im richtigen Zusammenhang und passender formuliert lieber. »Ich reichere einen Artikel gern mit mehreren Facetten an«, murmelte ich. »Und Diamond Head ist Ihr erstes eigenes Unternehmen, nicht wahr? Das können Sie mir doch sagen, nicht wahr, ohne gegen die Omertä der Familie zu verstoßen?«
    Er lachte wieder, laut und schallend. Allmählich begriff

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