Eine für vier 01 - Eine für vier
und er wusste, dass sie das auch wollte, auch wenn sie nichts darüber verlauten ließ.
»Wie steht’s mit Tennis?«, fragte er.
Die meisten Leute, die sie kannte, hassten diese Art von Vaterfragen, aber Carmen arbeitete das ganze Jahr auf sie hin. »Bridget und ich haben beim Doppel mitgemacht. Wir haben nur ein Match verloren.«
Sie sagte ihm nichts davon, dass sie im Töpfern eine Fünf bekommen hatte - das würde in ihren Schulunterlagen nicht auftauchen. Es kam auch nicht zur Sprache, dass der Junge, in den sie das ganze Jahr verknallt gewesen war, Lena zum Schulball eingeladen hatte. Und sie verschwieg auch, dass sie ihre Mutter am Ostersonntag zum Weinen gebracht hatte. Diese Gespräche handelten von ihren Triumphen.
»Ich hab uns für Samstag einen Platz gemietet«, berichtete ihr Vater, während er auf einen Highway fuhr und das Tempo beschleunigte.
Carmen betrachtete die Gegend. Es gab Motels und Gewerbegebiete, wie man sie in der Umgebung von fast jedem Flugplatz fand, aber die Luft war hier schwerer und roch salziger. Sie musterte das Gesicht ihres Vaters. Er war bereits braun gebrannt. Dadurch hoben sich seine blauen Augen deutlich ab. Sie hatte sich schon immer gewünscht, sie hätte seine Augen geerbt und nicht die braunen ihrer Mutter. Seine Haare sahen aus, als wären sie erst kürzlich geschnitten worden, und sein Hemd war frisch gebügelt und hatte ordentliche Manschetten. Ob er vielleicht eine Gehaltserhöhung bekommen hatte?
»Ich kann s gar nicht mehr erwarten, deine Wohnung zu sehen«, sagte sie.
»Ja«, sagte er zerstreut und warf einen Blick in den Rückspiegel, bevor er die Fahrspur wechselte.
»Ist es nicht ganz schön erstaunlich, dass ich noch nie hier war?«, fragte sie.
Er konzentrierte sich aufs Fahren. »Weißt du, Süße, es ist nicht so, als ob ich mir nicht schon viel früher gewünscht hätte, dass du zu mir kommst. Ich wollte mich nur erst besser eingerichtet haben, bevor ich dich zu mir hole.« Als er kurz zu ihr hinübersah, entdeckte sie eine Spur von Abbitte in seinen Augen.
Sie wollte nicht, dass er sich unbehaglich fühlte. »Dad, wie du eingerichtet bist, ist mir ganz egal. Mach dir darum keinen Kopf. Wir werden eine tolle Zeit zusammen verbringen. Wen kümmert schon die Einrichtung?«
Er fuhr vom Highway hinunter. »Ich konnte mir nicht vorstellen, dich in mein hektisches Leben zu holen. Mit so viel Arbeit, meinem Single-Dasein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Und alle Mahlzeiten im Restaurant.«
Sie konnte gar nicht schnell genug sprechen. »Genau das kann ich ja kaum noch erwarten. Ich gehe schrecklich gern ins Restaurant. Das ordentlich eingerichtete Leben steht mir bis oben hin.« Das war ehrlich gemeint. Dies war der Sommer von Carmen und Al.
Schweigend fuhr er durch kleine, baumbestandene Vorortstraßen, in denen auf beiden Seiten große Häuser aus dem neunzehnten Jahrhundert aufragten. Regentropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe. Der Himmel wurde so dunkel, dass es fast wie bei Nacht war. Ihr Vater verlangsamte das Tempo und hielt vor einem dieser Altbauten an. Das Haus war cremefarben, hatte grau-grüne Fensterläden und eine Veranda, die ums ganze Gebäude führte.
»Was ist das hier?«, fragte Carmen.
Ihr Vater stellte den Motor ab und wandte sich zu ihr um. »Hier bin ich zu Hause.« Seine Augen wirkten abweisend und ein wenig geheimnisvoll. Es schien, als wollte er sich dem unverhohlenen Staunen, das in ihrem Blick lag, nicht stellen.
»Dieses Haus? Hier? Ich dachte, du hast ein Apartment in der Innenstadt.«
»Ich bin umgezogen. Erst letzten Monat.«
»Ja? Warum hast du mir am Telefon nichts davon gesagt?«
»Weil... sich eine Menge großer Dinge getan haben, Süße. Dinge, die ich dir persönlich sagen wollte«, antwortete er.
Ihr war selbst nicht klar, wie sie zu diesen großen Dingen stand. Sie drehte sich auf ihrem Sitz zu ihm hin. »Und? Erzählst du’s mir jetzt?« Carmen war nie sehr taktvoll, wenn es um Überraschungen ging.
»Gehen wir erst mal rein, okay?«
Er machte die Fahrertür auf und lief um den Wagen herum zu ihrer Seite, noch bevor sie sein Okay wiederholen konnte. Ihren Koffer holte er nicht. Sie stiegen eine Steintreppe zum Haus empor, und dabei hielt er seinen Mantel über ihren Kopf und seinen, breitete ihn über sie beide aus.
Mit einer Hand griff er nach ihrem Arm. »Pass auf. Bei Regen werden die Stufen rutschig«, sagte er, während er sie die sorgfältig gestrichene Holztreppe zur vorderen Veranda
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