Eine für vier 01 - Eine für vier
schon mal ein«, sagte er, verwendete wieder dieses idiotische Wort. »Ich bring dir deinen Koffer hoch.«
Er ging zur Tür.
»Hey, Dad?«
Er drehte sich um. Mit wachsamem Blick.
»Es ist nur...« Sie kam nicht weiter. Eigentlich wollte sie ihm sagen, dass es ganz schön rücksichtslos von ihm war, sie nicht vorzuwamen. Es war nicht so leicht zu verkraften, ohne jede Vorbereitung in dieses Haus voll fremder Leute hineinzuplatzen.
In seinen Augen lag ein Flehen. Das konnte sie mehr spüren als sehen. Er wollte, dass zwischen ihnen alles nur lieb und nett war.
»Nichts«, sagte sie mit schwacher Stimme.
Sie sah ihm nach und dabei wurde ihr klar, dass sie ihm in noch einer weiteren Hinsicht ähnlich war. Wenn sie mit ihm zusammen war, mochte sie die unangenehmen Sachen nicht sagen.
Liebe Bee,
der Sommer von Carmen und Al überlebte nur die Fahrt vom Flughafen. Mein Vater heißt jetzt Albert und er will Lydia heiraten und wohnt in einem Haus voller Kleeney-Schachteln und spielt für zwei blonde Jugendliche den Dad. Vergiss all die Sachen, die ich mir ausgemalt hatte. Ich bin ein Gast im Gästezimmer einer Familie, die niemals meine Familie sein wird.
Tit mir Leid, Bee, ich bin mal wieder nur mit mir selbst beschäftigt. Ich weiß, dass ich mich wie ein großes Baby aufführe, aber mein Herz modert vor sich hin. Ich hasse Überraschungen.
Ich lieb dich und vermisse dich,
Carmen
Mit der Liebe ist es wie mit dem Krieg.
Der Anfang ist leicht. Das Ende ist schwer.
Sprichwort
» Lena..«
Als Effie in der Tür auftauchte, schaute Lena von ihrem Tagebuch auf. Effie kam hereingehuscht und setzte sich auf ihr Bett.
»Pass auf, die Leute sind da. Die Party geht los.«
Lena hatte im Erdgeschoss Stimmen gehört, war aber bereit, sich taub zu stellen.
»Er ist da«, fuhr Effie bedeutungsvoll fort.
»Er?«
»Kostos.«
»Und?«
Effies Gesicht nahm einen besonderen Ausdruck an. »Lena, ganz ohne Witz - du musst ihn dir ansehen.«
»Warum?«
Effie stützte sich auf die Ellbogen und beugte sich vor. »Ich weiß, man könnte meinen, er wäre ein kleines... Omasöhnchen, aber Lena, er ist... er ist...« Wenn Effie aufgeregt war, brachte sie ihre Sätze nicht zu Ende.
»Er ist was?«
»Er ist...«
Lena zog eine Augenbraue hoch.
»Umwerfend«, verkündete Effie.
In Lena regte sich naturgemäß ein wenig Neugier, aber das gab sie nicht zu. »Ef, ich bin nicht nach Griechenland gekommen, um mir einen Freund zu angeln.«
»Kann ich ihn haben?«
Jetzt war Lenas Lächeln echt. »Effie, ja. Spielt es übrigens eine Rolle, dass du schon einen Freund hast?«
»Ich hatte einen, bis ich Kostos gesehen habe.«
»So toll ist er, hm?«
»Du wirst schon sehen.«
Lena stand auf. »Also, gehen wir.« Es kam ihr gelegen, dass Kostos so positiv aufgebaut wurde. Wenn sie ihn sah, würde er unweigerlich eine Enttäuschung sein.
Effie zögerte noch. »Du hast Grandma gesagt, dass du dich umziehen willst.«
»Ach ja.« Lena wühlte in ihrem Seesack herum. Jetzt, nach Sonnenuntergang, war es kühl geworden. Sie zog einen braunen Rollkragenpulli an - das Kleidungsstück, das von allen ihren Sachen am wenigsten sexy war – und strich sich die Haare straff nach hinten, band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Trotzdem, die J EANS war die J EANS .
»Weißt du, was? Die Jeans kommt mir wirklich irgendwie magisch vor«, sagte Effie schwärmerisch. »Du siehst toll darin aus. Also, noch besser als sonst.«
»Danke«, sagte Lena. »Gehen wir.«
»Uiiii«, machte Effie aufgeregt.
Kostos war keine Enttäuschung. Er war groß. Er sah gar nicht mehr wie ein Junge aus, sondern eher wie ein Mann; er sah aus, als wäre er mindestens achtzehn. Und er war so attraktiv, dass Lena misstrauisch wurde.
Zugegeben, Lena war bei vielen Dingen misstrauisch. Aber ihr Misstrauen gegenüber Jungen basierte auf Erfahrung. Mit Jungs kannte Lena sich aus: Sie gingen nur nach dem Aussehen. Sie taten freundschaftlich, damit man ihnen vertraute, und sobald man Vertrauen zu ihnen hatte, legten sie mit dem Betatschen los. Um auf sich aufmerksam zu machen, taten sie so, als wollten sie an einem Geschichts-Referat arbeiten oder ehrenamtlich in einem Blutspende-Komitee mitwirken. Aber sobald es zu ihnen durchgedrungen war, dass man nichts von ihnen wollte, war ihr Interesse an Geschichtsdaten und an der erschreckenden Knappheit von Blutkonserven urplötzlich erloschen. Das Schlimmste war, dass sie bei Gelegenheit auch mal mit einer
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