Eine für vier 01 - Eine für vier
großen Augen nahm das Mädchen Tibbys Hallo, ich bin Tibby! -Namensschild und ihren grünen Kittel in sich auf. Dann wandte sie sich zu dem Sanitäter um, der auf der anderen Seite von ihr saß.
»Warum hält dieses Mädchen von Wallman’s meine Hand?«, fragte sie.
Es klopfte. Carmen warf einen Blick zur Tür und setzte sich auf dem Teppich hoch. Ihr Koffer war offen, aber sie hatte noch nichts weggeräumt. »Ja?«
»Darf ich reinkommen?«
Sie war sich ziemlich sicher, dass es sich um Krista handelte.
Nein, darfst du nicht . »Äh, ja.«
Die Tür ging zaghaft auf. »Carmen? Also, äh, es ist jetzt Zeit zum Abendessen? Bist du so weit? Kommst du runter?«
Nur Kristas Kopf kam durch den Türrahmen. Carmen konnte ihren Lip-Gloss riechen. Sie hatte Krista schwer im Verdacht, dass sie keine eigene Meinung hatte. Selbst Aussagesätze kamen bei ihr als Fragen heraus.
»Ich komme gleich«, sagte Carmen.
Krista zog sich zurück und machte die Tür zu.
Für einen kurzen Augenblick legte sich Carmen wieder auf den Boden. Wie war sie hierher gekommen? Wie hatte das passieren können? Sie stellte sich die Carmen aus einem anderen Universum vor, wie sie mit ihrem Dad in einem Restaurant in der Innenstadt einen Burger verputzte und ihn dann zu einem Spielchen am Billardtisch herausforderte. Auf diese Carmen war sie eifersüchtig.
Carmen stapfte die Treppe hinunter und nahm ihren Platz an dem aufwändig gedeckten Tisch ein. Mehrere Gabeln waren in einem Restaurant ja gut und schön, aber zu Hause im eigenen Esszimmer? Es stand eine ganze Reihe weißer Schüsseln mit Deckel da, die alle aus einem einheitlichen Service stammten. Wie sich herausstellte, enthielten sie die verschiedensten Speisen, die alle selbst zubereitet worden waren. Lammkoteletts, Röstkartoffeln, kurz in der Pfanne gedünstete Zucchini und rote Paprika, dazu Möhrensalat und warmes Brot. Carmen fuhr zusammen, als sie spürte, dass Krista nach ihrer Hand griff. Unwillkürlich zog sie ihre Hand mit einem heftigen Ruck zurück.
Krista stieg die Röte in die Wangen. »Entschuldige«, murmelte sie. »Wir fassen uns beim Tischgebet an den Händen.«
Sie sah zu ihrem Vater hin. Er hielt quietschvergnügt auf der einen Seite Paul an der Hand und langte auf der anderen Seite nach ihrer. So machen die das. Wie machen wirs? Das hätte sie ihren Vater liebend gern gefragt. Sollten wir nicht eigentlich auch eine Familie sein? Sie ließ Händchenhalten und ein unbekanntes Tischgebet über sich ergehen. Ihr Vater hatte es abgelehnt, Carmens Großeltern mütterlicherseits zuliebe zum katholischen Glauben überzutreten. Und jetzt war er Mr Tischgebet?
Carmen dachte todunglücklich an ihre Mutter. Ihre Mom und sie beteten vor dem Essen, aber als ihr Vater noch bei ihnen lebte, hatten sie das nicht gemacht.
Sie starrte Lydia an. Über welche geheimen Kräfte verfügte diese Frau?
»Lydia, das schmeckt fantastisch«, sagte ihr Vater.
»Wirklich toll«, stimmte Krista mit ein.
Carmen spürte die Augen ihres Vaters auf sich gerichtet. Sie sollte etwas sagen.
Sie saß einfach nur da und kaute.
Paul schwieg. Er sah Carmen an und blickte dann nach unten.
Regen klatschte an das Fenster. Besteck scharrte und Zähne mahlten.
»Also, Carmen«, wagte sich Krista vor. »Du siehst ganz anders aus, als ichs mir vorgestellt hatte.«
Carmen schluckte einen großen Happen hinunter, ohne ihn vorher zu kauen. Das machte die Sache auch nicht besser. Sie räusperte sich. »Du meinst, ich seh puerto-ricanisch aus?« Sie fixierte Krista mit starrem Blick.
Krista kicherte und trat dann den Rückzug an. »Nein, ich hab nur gemeint... du weißt schon... du hast, also... du hast dunkle Augen und dunkles, lockiges Haar?«
Und eine dunkle Haut und einen großen Arsch? Das hätte Carmen liebend gern noch hinzugefügt. »Stimmt«, sagte sie. »Ich sehe puerto-ricanisch aus, so wie meine Mutter. Meine Mutter stammt aus Puerto-Rico. Sie ist also Lateinamerikanerin. Das hat mein Vater vielleicht vergessen zu erwähnen.«
Krista sprach so leise, dass Carmen noch nicht mal sicher war, ob sie überhaupt noch redete. »Ich weiß nicht genau, ob er...« Kristas Stimme verebbte, bis sie, tief über ihren Teller gesenkt, die Wörter nur noch lautlos mit dem Mund formte.
»Carmen hat von mir die Größe und die mathematische Begabung«, ließ sich jetzt auch ihr Vater vernehmen. Das war ziemlich lahm, aber Carmen wusste es dennoch zu schätzen.
Lydia nickte ernst. Paul sagte immer noch
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