Eine für vier 01 - Eine für vier
zu bieten?« Henry Rollins
Als Lena am nächsten Morgen zum Frühstück in der Küche ankam, war nur ihr Großvater wach. »Kalemara «, sagte sie.
Er nahm ihren Gruß mit einem Nicken entgegen und blinzelte mit den Augen. Sie nahm ihm gegenüber an dem kleinen Küchentisch Platz. Er hielt ihr eine Packung Rice Krispies hin. Sie liebte Rice Krispies. »Efcharisto «, dankte sie ihm, womit ihr griechischer Wortschatz schon so ziemlich erschöpft war. Grandma hatte Teller und Löffel auf dem Tisch gelassen. Bapi reichte ihr die Milch.
Sie kauten beide. Als Lena ihn anschaute, sah er auf seinen Teller hinunter. War er verärgert, weil sie hier war? Frühstückte er lieber allein? War er sehr enttäuscht darüber, dass sie kein Griechisch konnte?
Er schüttete sich noch eine Portion Krispies in den Teller. Bapi war ein eher drahtiger Typ, aber sein Appetit ließ nichts zu wünschen übrig. Es war richtig komisch. Wenn sie Bapi ansah, erkannte sie Züge von sich selbst. Die Nase zum Beispiel. Von den anderen in der Familie hatten fast alle die berühmte Kaligaris-Nase - ihr Vater, ihre Tante, Effie. Der große, vorspringende Zinken verlieh jedem, der ihn trug, ein Charakterprofil. Ihre Mutter hatte natürlich eine andere Nase - eine Patmos-Nase aber selbst die war hinreichend ausgeprägt.
Lenas Nase war klein, zierlich, charakterlos. Sie hatte sich immer schon gewundert, woher sie die hatte, aber jetzt sah sie genau diese Nase mitten in Bapis Gesicht. Hieß das, dass sie die wahre Kaligaris-Nase hatte? Seit sie klein war, hatte sie sich insgeheim gewünscht, sie hätte die große Familien-Nase. Jetzt, da sie wusste, wo sie ihre herhatte, gefiel sie ihr schon ein wenig besser.
Sie zwang sich dazu, den Blick von Bapi abzuwenden. Ihm war es doch bestimmt unangenehm, so angestarrt zu werden. Sie musste unbedingt etwas sagen. Es war vermutlich ein sehr ungehobeltes Benehmen, einfach dazusitzen und keinen Ton zu sagen.
»Ich will heute Morgen ein Bild malen«, sagte sie und machte eine Handbewegung, als würde sie malen.
Das riss ihn aus seinen Frühstücksträumereien. Dieses Gefühl kannte Lena gut. Er zog die Augenbrauen hoch und nickte. Sie konnte nicht beurteilen, ob er sie verstanden hatte.
»Ich habe mir überlegt, dass ich vielleicht nach Ammoudi gehe. Führt die Treppe den ganzen Weg hinunter?«
Bapi dachte nach und nickte. Es war ihm anzumerken, dass er zu seinen Betrachtungen der Krispies-Schachtel zurückkehren wollte. War er sie leid? Ging sie ihm auf die Nerven?
»Okay, alles klar. Dann bis nachher. Schönen Tag noch, Bapi. Andio.«
Sie ging nach oben und packte ihre Malsachen zusammen. Dabei hatte sie das seltsame Gefühl, sie wäre Effie und hätte gerade mit sich selbst gefrühstückt.
Lena zog die JEANS an und dazu ein zerknittertes weißes Leinenhemd. Sie hängte sich ihren Rucksack mit ihrer Palette, ihrer zusammenklappbaren Staffelei und ihrem Zeichenbrett über die Schulter.
Gerade als sie an der Treppe angekommen war, tauchte Kostos an der Haustür auf und lieferte einen Teller mit frischem Gebäck von seiner Großmutter ab. Grandma umarmte und küsste ihn und bedankte sich in so rasend schnellem Griechisch, dass Lena kein Wort verstand.
Grandma entdeckte sie und bekam wieder diesen Ausdruck in den Augen. In aller Eile bat sie Kostos herein.
Lena fand es sehr schade, dass Effie noch nicht wach war. Sie verzog sich zur Tür hin.
»Komm, Lena, setz dich. Iss ein Stück Gebäck«, befahl Grandma.
»Ich bin zum Malen unterwegs. Und ich muss damit anfangen, bevor die Sonne zu hoch am Himmel steht und die Schatten verschwinden«, behauptete Lena. Das stimmte nur theoretisch, weil sie heute mit einem neuen Bild anfing, und das bedeutete, dass die Schatten fallen konnten, wie sie wollten.
Kostos pilgerte jetzt seinerseits in Richtung Tür. »Ich muss zur Arbeit, Valia. Ich bin sowieso schon zu spät dran.«
Grandma ließ sich fröhlich darauf ein, weil das bedeutete, dass die beiden zumindest gemeinsam hinausgehen mussten. Sie zwinkerte Lena zu, während sie hinter Kostos zur Tür hinausging. »Er ist ein netter Junge«, tuschelte sie Lena in einem lauten Flüsterton zu. Das war Grandmas Dauer-Refrain.
»Du malst gern«, stellte Kostos fest, als sie draußen im Sonnenschein waren.
»Ja«, sagte Lena. »Vor allem hier.« Sie wusste selbst nicht so recht, warum sie die zweite Information noch freiwillig hinzugefügt hatte.
»Ich weiß, es ist schön hier«, sagte Kostos nachdenklich und
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