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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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beendeten ihr Gespräch.
    Es war schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte.
    Und dabei hatte er sich schon eine ganze Menge vorgestellt. Er ließ sich auf die Küchenbank sinken, breitete die Zeitung vor sich aus und bemerkte zu seiner Verwunderung, dass er sich am liebsten übergeben hätte.
    Er schmückte die ganze Titelseite. Die Hälfte war die Überschrift in daumendicken Lettern:

    HIER WIRD EXPRESSEN-REPORTER
VON POLIZIST BEWUSSTLOS GESCHLAGEN
    Die andere Hälfte war ein großes, grobkörniges Bild, nach dem zu urteilen es diesem Blitzwichtel von Fotografen offenbar gelungen war, genau in dem Moment draufzudrücken, als er Persson die Fäuste gegen die Brust rammte. Das sah nicht hübsch aus. Der Ausschnitt, der am schärfsten am ganzen Foto war, das war Barbarottis eigener Gesichtsausdruck, und der erinnerte nicht wenig an einen Karateking, der mit aller Entschlossenheit seinem wehrlosen Gegner einen tödlichen Schlag verpasst.
    Und dieser verfluchte Reporter sah wirklich so aus, als fiele er hilflos nach hintenüber.
    Aber bewusstlos? Von ein paar Fäusten auf der Brust?
    Er blätterte weiter auf Seite acht, wo die Wahrheit über diesen frischen Fall von Polizeibrutalität entlarvt und in all seinen haarsträubenden Details ausgemalt wurde. Der routinierte und bekanntermaßen geschickte Kriminalreporter Göran Persson hatte in höchst friedlichen Absichten versucht, einen Kommentar von dem Polizeibeamten Gunnar Barbarotti zu erhalten, der in einer Dreizimmerwohnung zentral in Kymlinge wohnt – in Anbetracht der Tatsache, dass der Täter, der hinter den beiden Morden steht, die in letzter Zeit in der Stadt begangen wurden, gerade besagtem Polizeimitglied Briefe schickt, etwas, das bereits ausführlich in der Montagsausgabe der Zeitung beschrieben worden war. Ohne jede Provokation hatte Barbarotti den armen, wehrlosen Journalisten mit kräftigen Schlägen attackiert und ihn anschließend eine steile Treppe hinuntergeworfen, so dass er ohnmächtig und mit zwei gebrochenen Knochen im Körper unten liegen blieb. Im Körper?, dachte Barbarotti. Ja, wo sollten die denn sonst sitzen?
    Unter schwerem Schock stehend und verletzt gelang es Göran Pers-son mit Hilfe eines Fotografen der Zeitung, vom Tatort fortzukommen, und anschließend musste er die Nacht im Krankenhaus von Kymlinge verbringen. Die Ereignisse wurden bei der Polizei gemeldet, und die ganze Affäre legt natürlich einen düsteren Schleier über die Ermitt lungen, die momentan betrieben werden – bisher ohne jede Spur von Erfolg. Es ist ein Hemmschuh für die Fahndungsarbeit, die von der Polizei von Kymlinge mit Verstärkung aus Göteborg und vom Zentralkriminalamt betrieben wird, die gemeinsam den briefeschreibenden Mörder jagen, der nach allen bisherigen Erkenntnissen zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat.
    Schleier und Hemmschuh?, dachte Barbarotti. Vielleicht ist er doch auf den Kopf gefallen? Überraschenderweise war nicht zu ersehen, wer den Artikel verfasst hatte, vielleicht hatte jemand in der Zeitung eingesehen, dass es heißen würde, Göran Persson auf zu vielen Ebenen hervorzuheben, wenn sein Name auch noch unter der Reportage gestanden hätte.
    Der Leiter der Ermittlungen, Hauptkommissar Jonnerblad, war am späten Montagabend nicht zu sprechen gewesen, als der Expressen versucht hatte, einen Kommentar zu Inspektor Barbarottis rücksichtslosem Angriff auf das freie Wort und dessen Stellvertreter zu bekommen. In einer eilig durchgeführten Umfrage unter Menschen in Kymlinge und Umgebung stellte sich heraus, dass Sechsundsechzig Prozent wenig oder gar kein Vertrauen in die Fähigkeit der Polizei hatten, die zunehmende Kriminalität in den Griff zu bekommen. Im Laufe des Sommers war beispielsweise nicht ein einziger von insgesamt zweiundzwanzig angezeigten Hauseinbrüchen im Distrikt aufgeklärt worden. Man konnte sich fragen, was die Polizeibehörden eigentlich taten.
    Auf Seite fünf gab es weitere Fotos der Gegner Persson und Barbarotti. Er konnte sich nicht erklären, woher sie die Fotos von ihm bekommen hatten, er sah ungepflegt aus, als wäre er gerade aufgewacht, nachdem er seinen Rausch in einem Straßengraben ausgeschlafen hatte, mit tiefen Schatten unter den Augen, dem verstorbenen Christer Pettersson nicht unähnlich. Der Reporter seinerseits hatte eine geplatzte Lippe, einen blauen Fleck unter dem Auge sowie einen blutgefleckten Verband um den Kopf, er erinnerte in groben Zügen an einen Emphysepatienten, der soeben von einer

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