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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Barbarotti keinen anderen Ausdruck fand als ›alltäglich‹ – Katarina Malmgren war dunkel, sah insgesamt lebendiger aus, schön auf eine leicht südländische, kraftvolle Art. Außerdem hatte sie eine Verbindung zu Kymlinge. Offensichtlich hatte sie in ihrer Jugend fünf Jahre lang hier gelebt – Ende der Achtziger, draußen in der Bucht von Kymlinge. Und das war natürlich eine wichtige Frage: was bedeutete Kymlinge in diesem Zusammenhang? Hatte der Mörder die gleiche lokale Anbindung wie drei seiner Opfer?
    Kurz gesagt: Lebte er hier in der Stadt? Fuhr er nur diverse Kilometer fort, um die Briefe einzuwerfen? Und vielleicht auch, um das Ehepaar Malmgren zu ermorden?
    Und wenn man jetzt schon einmal davon ausging, dass sie tot waren, wie hatte er es in diesem Fall angestellt? War es so, wie Backman behauptete, dann musste er – zu allem anderen – ein außerordentlich kaltblütiger Typ sein, dachte Barbarotti. Einen Mann und dessen Frau an Bord einer Fähre umzubringen und anschließend die Leichen über Bord zu werfen – ohne entdeckt zu werden – ja, das konnte zumindest nicht ganz unkompliziert gewesen sein.
    Und warum hatte er ausgerechnet diese Methode ausgesucht?
    Wie üblich war es Gunnar Barbarotti klar, dass alle diese kleinen, aber wichtigen Fragen, die … wie hatte er es letztlich noch formuliert? … die ebenso zufällig ineinanderhakten wie Metallbügel in einem dunklen Schrank? … dass diese Fragen eigentlich unter einer einzigen Rubrik zusammengefasst werden konnten: Warum?
    Warum wurden diese Morde begangen? Was war der Grund … denn einen Grund musste es ja wohl geben? Eine Nabe und einen Kernpunkt, der, sollten sie ihn irgendwann entdecken, alles begreiflich machen würde. Denn darauf lief es doch hinaus. Zu begreifen. Das zu verstehen, was zu verstehen war, und es bei dem Rest zu belassen.
    Als Gunnar Barbarotti in den liberalen Siebzigern in die Grundschule ging, hatte er gelernt, dass es wichtiger war, die richtigen Fragen zu stellen, als die richtigen Antworten zu wissen. Er hatte sich schon oft gewünscht, seine Schulzeit wäre in ein anderes Jahrzehnt gefallen.
    Während er zuhörte, wie einer der Krebsesser Knockin ' on heaven's door vortrug – mit eigener Gitarrenbegleitung und ziemlich eigenartiger Akkordsetzung –, begann er über die Briefe und den Zeitaspekt nachzudenken. Wie war das nun, gab der Mörder der Polizei tatsächlich eine Chance? War es nicht eher so, dass die Mitteilungen über die geplanten Opfer immer zu spät kamen, so dass man es gar nicht mehr schaffen konnte, ein Leben zu retten? Nicht einmal die theoretische Möglichkeit hatte, es zu tun? Barbarotti betrachtete eine Taube, die sich auf dem Balkongitter des Nachbarn niederließ, während er in seiner Erinnerung zurückging. Der letzte Brief war mit der Post am Montag gekommen. Wenn die Malmgrens wirklich ermordet worden waren, musste die Tat – mussten die Taten – logischerweise in der Nacht zum Montag geschehen sein. Zwar hatte der Mörder den Brief mit höchster Wahrscheinlichkeit eingesteckt, bevor er zu Werke geschritten war, aber er musste einkalkuliert haben, dass er seine Absichten bereits in die Tat umgesetzt haben würde, wenn die Polizei diesen in die Finger bekam.
    Und außerdem: Er musste sich absolut sicher gewesen sein, dass es ihm gelingen würde.
    Gab es eine Möglichkeit, früher an die Postsendungen zu kommen? Sie hatten darüber diskutiert, die Post mit einzubeziehen – aber es war bei den Überlegungen geblieben. Denn wie hätte das laufen sollen? Sollten alle Briefträger in Westschweden – denn bisher stammten sämtliche Briefe von hier – über den Namen des Adressaten und den aktuellen Typ von Briefumschlag instruiert werden, damit sie sich, wenn sie beim Einsortieren Lunte rochen, mit der Polizei in Kymlinge in Verbindung setzten? Oder mit der nächstgelegenen Polizeibehörde, wie es früher im Rundfunk immer geheißen hatte? Nein, dachte Gunnar Barbarotti, das erscheint nicht machbar. Würde dem Mörder wahrscheinlich noch mehr in die Hände spielen.
    Dieser drückte sich immer im Futur aus, teilte mit, dass er die Absicht habe, den oder die zu töten, aber wenn Inspektor Barbarotti dann davon Kenntnis erlangte, war der Tempus bereits in … ja, wie hieß das noch … in den Präteritum?, ja, in den Präteritum gerutscht. Dann war es bereits passiert. Zu spät, um etwas zu tun.
    Vielleicht gab es an all dem einen linguistischen Aspekt, der Axel Wallman gefallen

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