Eine ganz andere Geschichte
ja, übrigens, er hat noch gesagt, dass er eventuell mit einem Kollegen für ein paar Tage zum Angeln fahren wollte.«
»Mit einem Lehrerkollegen?«
»So habe ich es verstanden.«
»Hat er einen Namen genannt?«
»Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht hat.«
Gunnar Barbarotti warf einen Blick aus dem Fenster und sah, wie der X-2000-Zug auf Gleis 1 bremste. Also halten sie immer noch hier, dachte er. Zumindest ab und zu.
»Wann war Ihnen klar, dass Gunnar verschwunden ist?«, fragte er.
»Am Dienstag. Da haben sie von der Schule aus angerufen und gefragt, ob ich ihn gesehen hätte.«
»Dann weiß man also in der Schule, dass Sie gute Freunde sind?«
Tomas Wallin zuckte mit den Schultern. »Offenbar.«
»Und Sie haben keine Idee, wohin er sich aufgemacht haben könnte?«
»Nicht die geringste. Es ist für mich und meine Frau vollkommen unbegreiflich.«
Barbarotti überlegte eine Weile. »Ich glaube, im Augenblick habe ich nichts mehr«, sagte er. »Darf ich Sie anrufen, wenn ich noch weitere Fragen habe?«
»Selbstverständlich«, rief Tomas Wallin aus. »Ich möchte ja nichts lieber, als …«
Ihm schien keine gute Fortsetzung einzufallen. Vielleicht, weil es keine gibt, dachte Barbarotti finster und stellte das Aufnahmegerät ab.
»Und Sie lassen von sich hören, wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt?«
»Selbstverständlich«, wiederholte Wallin und stand auf.
»Besonders, was diesen Sommer betrifft … 2002.«
»Das ist mir schon klar«, sagte Tomas Wallin, und dann verabschiedeten sie sich voneinander.
Sie saßen wieder im Auto.
Eva Backman hatte von ihrem Gespräch mit der alleinstehenden Frau berichtet, die neben Gunnar Öhrnberg in der Tulpangatan wohnte. Ziemlich viele Alleinstehende momentan, hatte Backman festgestellt. Dieses Mal gleich zwei, hatte Astor Nilsson hinzugefügt.
Die Frau hieß Gunnel Pekkari. Sie war fünfunddreißig Jahre alt, geschieden und lebte mit ihrer fünfjährigen Tochter und einer Katze zusammen. Sie sah gut aus, wie Inspektorin Backman einleitend bemerkte, auf jeden Fall nach dem, was heute als gut aussehend erachtet wurde: große Brüste, Rehaugen und gefüllte Lippen. Backman hielt es nicht für ausgeschlossen, dass sie ein kürzeres Verhältnis zu Öhrnberg gehabt hatte. Oder dass sie zumindest ein paar Mal mit ihm im Bett gewesen war. Wo sie sowieso schon Wand an Wand wohnten, konnte das ja ganz praktisch sein.
Aber leider nicht in letzter Zeit. Gunnel Pekkari konnte nichts an Informationen beitragen. Doch, ein Detail, sie hatte ihren Nachbarn ge gen sieben Uhr am Dienstagabend auf der Treppe getroffen, also am Siebten, und sie konnte schwören, dass er zu dem Zeitpunkt noch am Leben gewesen war. Aber er hatte es eilig gehabt, und sie hatten sich nur kurz gegrüßt, er auf dem Weg hinaus, sie hinein.
Ansonsten fand sie, dass Gunnar Öhrnberg hübsch aussah, gute Haltung, vielleicht die Nase etwas zu groß, über seine inneren Werte hatte sie nicht so viel zu sagen.
»Ausgezeichnet«, sagte Astor Nilsson, »er war also am Abend des Siebten auf jeden Fall noch am Leben. Dann wissen wir das.«
Anschließend berichtete er von seinem Besuch bei der Schulleiterin Manner-Lind in der Alléskolan. Sie hatte wirklich ihr Bestes gegeben, um Gunnar Öhrnberg zu finden, seit Dienstag, seit sie gemerkt hatte, dass da etwas nicht stimmte. Dass ein Lehrer den ersten Planungstag versäumte, das kam sicher häufiger mal vor, wie sie zu verstehen gab, aber nicht zwei, das trauten sie sich nun doch nicht, und schon gar nicht ein Lehrer von Öhrnbergs Kaliber.
Nicht, weil er sich nicht traute, sondern weil er nicht der Typ war. So gut wie nie krank und ein Fels in jeder Brandung. Beliebt bei Schülern, Kollegen und Eltern. Und bei der Schulleitung. Brauchte man eine Vertretung, war er immer bereit. Überstunden? No problem. Freiwillige Begleitperson bei Klassenreisen? Öhrnberg meldete sich, ohne zu zögern.
Deshalb hatte Schulleiterin Manner-Lind mit diversen Leuten gesprochen. Mit Josefsson und Pärman, von denen sie wusste, dass Öhrnberg auch privat ein wenig mit ihnen verkehrte. Mit Rosander, der mit Öhrnberg Vätternsaiblinge angeln wollte, was aber abgesagt worden war, daRosanders Frau an der Hüfte operiert werden musste. Mit Öhrnbergs Bruder in Östersund und mit seinen Eltern in Kramfors.
Mit Freund Wallin in Örebro natürlich auch, aber keiner wusste Bescheid, und keiner hatte auch nur den kleinsten Hinweis, wo der verschwundene Lehrer
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