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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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vorgearbeitet, und der Mähdrescher stand wie ein gigantisches Urzeittier, das plötzlich nicht mehr in der Lage war, sich zu bewegen, gestrandet da. Auf einem Rechteck, groß wie ein Fußballplatz, stand das Getreide noch und wogte sanft in der lauen Abendbrise. Hüfthoch und reif. Die Polizei hatte ein kleines Gebiet mit blauweißem Plastikband abgesperrt; um den Mähdrescher und Öhrnbergs zerfleischten Körper krabbelten Ärzte, Techniker und Fotografen herum, und außerhalb des Bands gab es noch mindestens dreißig Personen.
    »Wer sind alle diese Menschen?«, fragte Gunnar Barbarotti.
    Kommissar Schwerin zuckte mit den Schultern. »Das ist unterschiedlich. Nachbarn und Neugierige. Die Presse ist auch da. Es passiert hier in unserer Gegend nicht so viel.«
    »Du hast sie nicht gebeten, sich zu entfernen?«
    »Doch. Aber die meisten waren schon da, als wir gekommen sind. Und schließlich ist das ein freies Land und wir haben eine freie Presse.«
    Barbarotti betrachtete den Kommissar. Ein kleiner, ruhiger Herr in den Sechzigern. Schien das Ganze mit einer Art gelassener Ruhe hinzunehmen, vielleicht war das die richtige Art, wenn man es genau betrachtete. Er sah sich nicht bemüßigt, Anstalten zu machen, all diese Menschen nach Hause zu schicken. Sicher hatten sie bereits alle möglichen Spuren in dem fruchtbaren Lehm von Närke niedergetrampelt.
    »Habt ihr eine Kugel gefunden?«, wollte Astor Nilsson wissen.
    »Nein, aber wir suchen noch. Obwohl ich nicht glaube, dass wir etwas finden werden.«
    »Warum nicht?«
    Schwerin zeigte ein sanftes Lächeln. »Weil er wahrscheinlich woanders erschossen wurde. Schwer vorstellbar, dass der Täter sein Opfer mit sich nimmt, mit ihm auf einem Weizenfeld spazieren geht und hier dann zur Tat schreitet. Es ist einfacher, sich vorzustellen, dass er ihn erst erschossen hat und dann den Körper aufs Weizenfeld geschleppt hat.«
    Barbarotti überlegte. Er hat recht, dachte er. Natürlich ist es so gewesen. »Und ihr seid euch sicher, dass es Öhrnberg ist?«, fragte er. Er selbst war alles andere als sicher. Der Kopf war so schlimm zugerichtet worden, dass er wem auch immer gehören konnte.
    »Ziemlich sicher«, bestätigte Schwerin. »Er hatte Brieftasche und Ausweis bei sich.«
    Barbarotti nickte.
    »Lässt sich sagen, wie lange er hier gelegen hat?«, fragte Astor Nils-son.
    »Der Arzt schätzt mindestens eine Woche«, antwortete Schwerin.
    »Tja, das wird wohl auf eurem Tisch landen. Ist sicher das Beste, wenn wir die Leiche nach Göteborg schicken, oder?«
    »Ja, macht das«, nickte Astor Nilsson. »Aber seht zu, ihn erst ordentlich zusammenzuklauben.«
    Backmans Handy klingelte wieder. Sie ging ein Stück zur Seite. Kam nach einer Minute zurück. »Jonnerblad«, erklärte sie. »Ja, er will, dass wir ihn nach Göteborg schicken. Möchte außerdem, dass wir bis morgen hierbleiben …«
    Sie nickte dem Kommissar zu. »Damit wir ein erstes übersichtliches Bild bekommen, sozusagen.«
    Ein übersichtliches Bild und ein unübersichtlicher Körper, dachte Barbarotti. Schwerin lächelte wieder mild. »Eigentlich wollte ich morgen Golf spielen«, sagte er. »Aber das muss wohl warten. Eigentlich mag ich gar kein Golf, es ist vor allem meine Frau, die … ja, das wird wohl so einige Befragungen ergeben, wie ich mir denken kann?«
    »So einige«, bestätigte Astor Nilsson. »Wie ist es mit dem Bauern, ist er ansprechbar?«
    »Ihr könnt es auf jeden Fall versuchen«, sagte Schwerin und zeigte in die Richtung. »Er steht da hinten. Letztes Jahr ist er über ein Reh gebrettert, aber das hier ist bestimmt schlimmer.«
    »Raffiniert«, sagte Eva Backman. »Ihn ins Weizenfeld zu legen.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Barbarotti.
    Sie hatten sich ein Stück abseits gestellt, während der Augusthimmel von Blau in Schwarz überging und Astor Nilsson mit dem Landwirt Mattsson sprach. Barbarotti kaute auf einem Weizenkorn.
    »Nun ja, wenn er ihn verstecken will, aber gleichzeitig sichergehen will, dass er bald gefunden wird. Wer geht schon in ein Getreidefeld? Er liegt garantiert verborgen dort, bis es Zeit für die Ernte ist.«
    Barbarotti schälte ein neues Korn aus der Ähre und stopfte es sich in den Mund. »Da hast du wohl recht. Aber es müsste doch eine Spur bleiben, wenn man in so ein Feld geht?«
    »Nicht viel«, sagte Backman. »Wenn man ein bisschen vorsichtig ist, richtet sich das meiste, glaube ich, hinterher wieder auf. Wie nach einem Regen. Ja, ich kann mir nicht helfen, aber

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