Eine ganz andere Geschichte
einer späteren Gelegenheit nachholen«, erklärte Inspektor Barbarotti und legte den Hörer auf. Vielleicht zur Zeit der Elchjagd, fügte er im Stillen hinzu.
Was für ein Morgen, dachte er anschließend, als er den Jonssonschen Hof verlassen hatte. Fängt mit Bibelstudium und Fragen nach Gottes eigentlichem Wesen an, dann sagt sie, dass sie mich fast liebt, und dann rundet sich das Ganze mit ein bisschen Mord und ein bisschen Elchjagd ab.
Marianne hatte ihm nicht viel vorzuwerfen. Was er auch nicht anders erwartet hatte.
»Immerhin hatten wir acht von zehn Tagen«, sagte sie, als sie das Auto auf dem Parkplatz vor dem Fährterminal abgestellt hatte. »Vielleicht kann man gar nicht mehr begehren, wenn man sich in einen Kriminalbeamten verliebt hat.«
»Ich hätte diesen Brief nicht öffnen sollen«, sagte Gunnar Barbarot ti. »Wenn ich ihn erst am Freitag gefunden hätte, dann wäre ich nicht mit reingezogen worden.«
Er wusste nicht, ob das wirklich sein Ernst war. Irgendwie erschien es ihm paradox. Der Gedanke, dass er dem Täter in die Hände spielte, ließ sich nicht abschütteln. Indem er den Brief geöffnet, die Warnung gelesen und weitergeleitet hatte. Und dass er sofort in die Ermittlungen eingestiegen war? War es das, was er – oder sie – wollte?
Warum schickte man überhaupt einen Brief und redete davon, dass man jemanden töten wollte? Noch bevor man die Tat begangen hatte? Gab das einen Sinn? Oder handelte es sich nur um einen Verrückten, bei dem es sich gar nicht lohnte, nach rationalen Beweggründen zu suchen?
Unmöglich zu wissen, dachte Gunnar Barbarotti. Zumindest solange es keine Anhaltspunkte für Spekulationen gab.
Aber eins war sicher: so einen Fall hatte er noch nie erlebt. Wenn er nachdachte, glaubte er auch nicht, jemals von etwas Ähnlichem gehört zu haben. Dass ein Täter seine Tat überhaupt plante, war schon ungewöhnlich genug, normalerweise wurde nur ein Besoffener sauer und erschlug dann den anderen Besoffenen.
Oder seine Ehefrau oder jemand anderen, der ihm in die Quere kam. Aber so verhielt es sich hier nicht, diese Schlussfolgerung konnte man auf jeden Fall ziehen.
»Auf jeden Fall waren es wunderbare Tage mit dir«, unterbrach Marianne seine Gedanken. »Nur schade, dass du nicht auch noch einen Tag mit meinen frechen Kindern erleben durftest.«
Es war abgemacht gewesen, dass sie am Donnerstag kommen sollten, dann hätten sie einen Nachmittag, einen Abend und einen Morgen zu viert gehabt. Er hatte sie bisher ein paar Mal getroffen, und die Begegnungen waren erstaunlich reibungslos verlaufen. Er mochte Johan und auch Jenny, und wenn es nicht zu vermessen geklungen hätte, dann hätte er wohl behaupten können, dass auch sie ihn ertrugen.
»So ist es nun einmal«, sagte er. »Du musst ihnen erklären, dass Onkel Polizist nach Hause fahren musste, um einen fiesen Mörder zu fangen, das ist zumindest die bittere Wahrheit.«
»Ich glaube, sie werden so eine Entschuldigung schlucken«, stellte Marianne fest.
Dann küsste sie ihn und schob ihn aus dem Auto.
Das Gefühl, auf dem Deck zu stehen und zum Abschied zu winken, als die Fähre ablegte, war nicht besonders erhaben, wie Gunnar Barbarotti feststellte. Schon gar nicht, da er seine Ankunft vor einer Woche noch in so guter Erinnerung hatte. Er ertappte sich bei dem Wunsch, statt eines siebenundvierzigjährigen Kriminalpolizisten ein vierzehnjähriges Mädchen zu sein – dann hätte er ein wenig weinen können, ohne sich dessen zu schämen.
Aber so war es nun einmal nicht. Und eine Frau in den Vierzigern zu sein, konnte auf lange Sicht auch ein wenig beschwerlich sein.
Ich hoffe, es kommen noch viele Wochen dieser Art in meinem steuerlosen Leben, dachte er, als er ihre winkende Gestalt auf dem Kai vor dem Terminal nicht länger ausmachen konnte. Aber auf Trennungen kann ich verdammt gut verzichten.
Anschließend ging er ins Restaurant und bestellte sich einen großen Eintopf mit roten Beten und ein Bier.
5
E s war Viertel nach neun, und die Sonne war untergegangen, als er in seinen Citroën auf dem Langzeitparkplatz in Nynäshamn kletterte. Aus irgendeinem Grund, den er nicht mitbekommen hatte, hatte die Fähre ihre Geschwindigkeit gedrosselt, und die Überfahrt hatte fünfundvierzig Minuten länger als üblich gedauert. Heimreise in der Dunkelheit, dachte er und startete den Wagen. Dreieinhalb Stunden splendid isolation. Einsamkeit war nichts Fremdes für ihn, aber in diesem Moment empfand er sie wie ein
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