Eine geheimnisvolle Lady
Irrtum, denn sie las Verwirrung und Kummer in seinem Blick. Nachdenklich runzelte er die Stirn. »Hinter alldem steckt etwas anderes. Du bist nicht die Frau, die mit dem Erstbesten, der ihr gefällt, ins Bett hüpft.«
»Woher willst du das wissen?«, zischte sie.
Seelenruhig zuckte er die Achseln. »Weil ich dich kenne.«
Das konnte sie nicht bestreiten. Trotzdem widersprach sie ihm. »Nach ein paar Wochen? Mach dich nicht lächerlich!«
Seine Augen verdunkelten sich. Wie sie es hasste, ihm wehzutun! Immer noch besser, als ihm den vernichtenden Schlag zu versetzen und zu erklären, im Grunde sei er nur ein Deckhengst gewesen …
»Diana …«
»Diana!«
Der Name schien widerzuhallen. In Ashcrofts Blick versunken, nahm sie die zwei verschiedenen Stimmen kaum wahr. Dann blinzelte sie und kehrte in die Realität zurück. Ihr Vater stand in der Bibliothekstür, hinter ihm Laura.
Von irrwitziger Erleichterung erfüllt, starrte sie Ashcroft an. Jetzt musste sie nicht mehr lügen. Ihr Vater rettete sie vor der immerwährenden Verachtung des geliebten Mannes. »Ja, Papa, ich komme. «
Ihr Übereifer entging Ashcroft nicht, das sah sie ihm an.
»Wir fahren nach Marsham«, verkündete ihr Vater in feindseligem Ton.
»Geh nicht, Diana.« Der wohlklingende Bariton sandte verführerische Melodien in ihr Herz.
Als Ashcroft wieder nach ihrem Arm griff, konnte sie ihm nicht rechtzeitig ausweichen. Die drängende Hitze seiner Berührung unterstrich die grausame Tatsache ihres Verrats umso krasser.
Die Lippen zusammengepresst, schüttelte sie hilflos den Kopf. Sie war gefangen zwischen den zwei Männern, die sie am meisten liebte und die sie beide schrecklich hinterging. Sie verlor den letzten Rest ihrer Beherrschung.
Nur noch ein tränenersticktes Flüstern kam über ihre Lippen: »Lebe wohl, Tarquin.«
Mit letzter Kraft riss sie sich los und stolperte die Stufen hinab, zutiefst dankbar, weil er ihr nicht folgte.
23
Ashcroft hämmerte gegen John Deans Tür. Mitten in der Nacht hatte er London verlassen, und er war rechtzeitig in Marsham eingetroffen, um die Kirchenglocken zu hören, die den Sonntagsgottesdienst ankündigten.
Obwohl im Haus ein Hund bellte, achtete niemand auf das beharrliche Klopfen. Saßen sie alle in der Kirche? Es widerstrebte ihm, einen so öffentlichen Ort aufzusuchen und Diana zu blamieren. Allerdings hatte sie nicht gezögert, ihn lächerlich zu machen. Erneut stieg Zorn in ihm auf, aber er bezähmte ihn. Die ganze Nacht hatte er sich wegen ihrer mysteriösen Aktivitäten den Kopf zerbrochen. Nur eine Erklärung ergab einen Sinn: Der Schurke Burnley musste ihren Aufenthalt in London bezahlt haben.
Aber warum? Das wollte Ashcroft herausfinden. Und warum sie ausgerechnet den Feind des Marquess verführt hatte. Oh ja, Diana musste ihm einiges erklären. Und verdammt, diesmal würde er sich nicht von heißer Leidenschaft ablenken lassen.
Er schlug wieder an die wuchtige Tür. Er war müde und verbittert, und es strapazierte seine Nerven, keine Antworten zu hören. Letzte Nacht hatte er Chelsea in wilder Wut verlassen und sich eingeredet, Diana solle zur Hölle fahren. Dann hatte seine Neugier gesiegt, und er war hierhergaloppiert, wie von Furien gehetzt.
Endlich wurde ein Riegel zurückgeschoben. Als die Tür aufschwang, wappnete er sich für den Anblick seiner perfiden Geliebten. Stattdessen starrte er in John Deans blinde Augen. Neben dem alten Mann fletschte ein knurrender klappriger Spaniel die Zähne.
»Ah, Lord Ashcroft«, sagte Dean kühl.
Nur mühsam zügelte der Earl seine Ungeduld. »Woher wissen Sie …«
Dean trat nicht zurück, um ihn ins Haus zu bitten. »Weil niemand anderer versuchen würde, an einem Sonntagmorgen meine Tür zu zertrümmern.«
Mit einem tiefen Atemzug rang Ashcroft um Fassung. Seine plötzliche Ritterlichkeit kam ihm ungelegen, aber er wollte Diana nicht vor ihrem Vater beschämen, obwohl der alte Mann vermutlich Verdacht geschöpft hatte, was die verlorene Ehre seiner Tochter betraf. »Mr. Dean, ich habe dringende Angelegenheiten mit Mrs. Carrick zu klären. Darf ich drinnen mit Ihnen sprechen?«
»Nein.« Dean umfasste den Griff seines Gehstocks etwas fester, als wollte er ihn notfalls benutzen, um den unwillkommenen Besucher in die Flucht zu schlagen.
Ashcroft blieb ruhig. »Ist Mrs. Carrick daheim?«
»Für Sie ist meine Tochter niemals daheim.«
Irritiert versteifte sich der Earl. »Das sollte sie selbst entscheiden.«
»Nein, das entscheide
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