Eine geheimnisvolle Lady
großzügigen Liebhaber hatte sie die Ähnlichkeit nicht erkannt. Hier jedoch verhielt er sich wie ein Grandseigneur und glich seinem Vater auf geradezu erschreckende Weise.
Die Ähnlichkeit schmeichelte ihm nicht. Zu distanziert sah er aus, die attraktive Erscheinung glänzte kalt wie ein Diamant. Kaum zu glauben, dass dies der Mann war, der zitternd in ihren Armen seine Erfüllung gefunden hatte. Kaum zu glauben, dass ihn die Sehnsucht nach ihr auf den Boden seines Feindes und zu einem Heiratsantrag getrieben hatte.
Sobald Ashcroft die Wahrheit erfuhr, würde er sie nicht mehr heiraten wollen. Nie wieder würde ihr Herz jene süße Wehmut spüren wie bei seinem Antrag.
Die Augen geschlossen, versuchte sie für Ashcroft zu beten. Doch ihre Seele war zu sehr von Sünden belastet, und ihr fehlten die Worte. Eine so unverbesserliche Heuchlerin, die sich einbildete, der Allmächtige würde ihr verzeihen und auf ihre Bitte hören, war sie nicht. Nicht einmal Cranston Abbey würde sie für das Leid entschädigen, das sie sich selbst angetan hatte, ihrem Vater und vor allem Ashcroft.
»Die Dame kann für sich selbst sprechen«, stieß Ashcroft hervor, als sie die Lider hob.
»Als ihr Verlobter spreche ich für sie«, konterte Burnley. »Vielleicht haben Sie mich nicht verstanden. Mrs. Carrick ist die nächste Marchioness of Burnley, und sie wird meinen Erben zur Welt bringen.«
Obwohl Ashcroft sich bemühte, keine Regung zu zeigen, sah Diana alle Farbe aus seinem Gesicht weichen. Dieses Leid verdankte er ihr . Und dafür verdiente sie alle Qualen der Verdammten.
Anklagend starrte er sie an. »Was soll das, Diana?«
»Ashcroft, ich sagte doch, ich kann dich nicht heiraten«, entgegnete sie und fühlte sich elend. »Und ich bat dich zu gehen. Doch du wolltest nicht auf mich hören.«
Auf seinen Stock gestützt, trat Burnley vor. In diesem Moment wirkte er so gesund wie seit Monaten nicht mehr. Offensichtlich tat es ihm gut, den Earl am Boden zu zerstören. Nicht nur das, auch die Neuigkeit ihrer Schwangerschaft munterte ihn auf. Noch konnte sie nicht sicher sein. Aber ihre Monatsblutung, normalerweise regelmäßig, war seit einer Woche überfällig. Zudem verriet ihr ein Instinkt, dass die atemberaubende, mit Ashcroft geteilte Leidenschaft Früchte trug.
»Sie müssen die Gefühle dieses Kerls nicht schonen, mein Liebling.«
Bei diesem Kosewort erschauerte Diana. Nie zuvor in der langen Bekanntschaft hatte Burnley auch nur annähernd liebevoll mit ihr gesprochen. Und es gefiel ihr nicht. Flehend schaute sie Ashcroft an. »Um Himmels willen, geh, Ashcroft!«
»Ich muss Mrs. Carrick zustimmen.« Burnleys Stimme triefte vor Genugtuung. »Nachdem Ihr lächerlicher Heiratsantrag abgelehnt wurde, haben Sie hier nichts mehr zu suchen. Jeder Mann mit ein bisschen Rückgrat würde sich in einer solchen Situation zurückziehen und seine Wunden lecken. Aber Sie sind genauso wie Ihre Mutter, ein Opfer weinerlicher Sentimentalitäten, obwohl Ihre Aufmerksamkeiten offensichtlich unerwünscht sind.«
Burnley musste schon eine ganze Weile gelauscht haben. Bedrückt stellte Diana sich vor, wie Ashcroft sich fühlen musste, weil es für jenen persönlichen, wehmutsvollen Moment einen Zeugen gab – noch dazu einen Zeugen, den er verabscheute.
»Das musst du dir nicht anhören, Ashcroft.« Sie berührte seinen Arm, aber er schüttelte sie ab, als würde sie nicht existieren. Obwohl sie diese Missachtung verdiente, musste sie neue Tränen unterdrücken.
»Was ist mit meiner Mutter?«, fragte er in scharfem Ton und machte einen Schritt in Burnleys Richtung. In seinen Augen glänzte dasselbe Hellgrün wie im berühmten chinesischen Porzellan auf Cranston Abbey, und die unmenschliche Kälte jagte einen Schauer über Dianas Rücken.
Höhnisch kräuselte Burnley die Lippen. »Ihre Mutter war eine geistlose Schlampe.«
Diana schnappte nach Luft, und Ashcroft versteifte sich. »Kannten Sie meine Mutter?«
»Natürlich«, bestätigte der Marquess sarkastisch. »Züchtig und tugendhaft, bis ich sie in mein Bett holte. Diese dumme kleine Hure! Sie bildete sich ein, mich zu lieben, und das würde ihre Sünden entschuldigen. Nur der Himmel mag wissen, warum ihr Gemahl sie zurücknahm.«
»Mein Vater nahm sie nicht zurück.« Ashcrofts Stimme klang unnatürlich ruhig, und er ließ den alten Mann, der die Demütigung seines Rivalen sichtlich genoss, nicht aus den Augen.
Wie Diana bestürzt erkannte, hatte der Marquess stets einen
Weitere Kostenlose Bücher