Eine geheimnisvolle Lady
perfektes Oktoberwetter. Es war seltsam, den Himmel in so festlicher Stimmung zu sehen, wenn er doch grau und stürmisch erscheinen müsste, um das Elend ihres Herzens widerzuspiegeln.
Es war Zeit für den Gang in die Kirche. Diana stieg die Treppe hinab und hielt ohne viel Hoffnung nach ihrem Vater Ausschau, und ihre böse Ahnung bestätigte sich. Er stand nicht in der Diele, um ihr – wenn auch widerwillig – seinen Segen zu erteilen.
Die Hochzeit mit William war ganz anders verlaufen. Lachend hatte sie am Arm ihres Vaters den kurzen Weg zur Kirche St. Mark’s zurückgelegt – überglücklich, weil sie sich bald Mrs. Carrick nennen würde. Wie ein bunter, üppig gemusterter Teppich hatte die Zukunft vor ihr gelegen, ein Leben voller Liebe, Kameradschaft und Erfüllung.
Von diesem Tag an würde ihr Herz nie mehr jubeln. Sie fühlte sich wie eine uralte Frau. Und zutiefst beschmutzt und erniedrigt.
Vor drei Monaten hätte sie diese Hochzeit für ihren höchsten Triumph gehalten.
Vor drei Monaten war sie eine andere Frau gewesen.
Nervös glättete sie den Rock ihres gelben Seidenkleids. Es stammte aus ihrer Londoner Garderobe. Als sie hineingeschlüpft war, hatte es formlos an ihrem abgemagerten Körper gehangen. Aber es musste genügen. Selbst wenn sie sich ein neues Kleid gewünscht hätte, wäre die Zeit zu knapp gewesen, um es anfertigen zu lassen. Burnley hatte die Hochzeit sofort nach ihrem Jawort arrangiert.
Ihren Hinweis auf die unziemliche Hast hatte er mit der Erklärung beantwortet, niemand dürfe Zweifel an der Legitimität des Kindes hegen. Vielleicht hatte er recht, obwohl das Baby schon sechs oder sieben Monate nach der Zeremonie zur Welt kommen würde.
Sie vermutete, der Marquess befürchtete eher, sie könnte ihren Entschluss ändern. Doch sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Wohin könnte sie auch gehen, um ihrem Unglück zu entrinnen? Nirgendwohin. Wenigstens würde ihre Ehe die Zukunft ihres Kindes sichern und ihm einen respektablen Namen verschaffen.
Im schwachen Licht am Fuß der Treppe hielt sie inne und erwiderte Lauras mitleidsvollen Blick. »Hat er etwas gesagt?«
Die Freundin wusste, wen Diana meinte. John Dean. »Nein.«
»Wo ist er?«
»In seinem Arbeitszimmer. Mit Mr. Brown.«
Diana seufzte wehmütig. Seit sie ihrem Vater vor fünf Tagen mitgeteilt hatte, sie würde Burnley heiraten, sprach er nicht mehr mit ihr. Wenn sie sich trafen – in dem kleinen Haus war es unmöglich, Begegnungen zu vermeiden –, behandelte er sie wie eine Fremde. Ein paar Mal hatte sie versucht, die Barriere zu durchbrechen, ihm zu erklären, dass die Heirat auch zu seinem Nutzen wäre. Aber er hatte sie ignoriert, als wäre er nicht nur blind, sondern auch taub.
Flüchtig erwog sie, die Tür des Arbeitszimmers aufzureißen und kategorisch zu verlangen, er müsse sie zum Altar führen. Aber sie besann sich eines Besseren. Welchen Sinn hätte eine dramatische Szene? Niemals würde der Vater ihr verzeihen, dass sie sich Ashcroft so ehrlos hingegeben hatte und nun eine lieblose Ehe mit Burnley einging.
»Glaubst du, ich mache einen Fehler?«, fragte sie, obwohl Laura ohnehin nie verhehlte, was sie von den Entscheidungen ihrer Freundin hielt.
»Ich habe kein Recht, dich zu verurteilen«, antwortete Laura und berührte Dianas Arm, eine kurze tröstende Geste. »Weil du es nur für das Baby tust.« Zum ersten Mal erwähnte Laura die Schwangerschaft.
»Ich begehrte das Haus, das war reiner Wahnsinn.« Die Vergangenheitsform entging Laura nicht. »Ja. Inzwischen weißt du es besser.«
»Und jetzt ist es zu spät, um etwas zu ändern«, sagte Diana bitter.
In Lauras Augen funkelte ein eigenartiges Licht. Aber ihre Stimme klang so ruhig wie üblich. »Nein, es ist nicht zu spät.«
»Doch.«
Zu Dianas Erleichterung widersprach Laura nicht mehr und senkte den Kopf, als würde sie ein unausweichliches Schicksal akzeptieren.
Vor dem Spiegel neben der Haustür blieb Diana stehen. Nach dem Erwachen war ihr übel gewesen, so wie neuerdings jeden Morgen. Seither hatte sich ihr Magen beruhigt. Sie sah blass und gefasst aus. Nicht wie eine strahlende Braut, aber auch nicht wie das personifizierte Unglück, das sie sich vorgestellt hatte. Sie nahm ihr abgegriffenes Gebetbuch von einem Wandtischchen und wandte sich zu Laura. »Ich bin bereit.«
Eine Lüge. In Zukunft würde sie tausend ähnliche Lügen erzählen.
Direkt vor dem Eingang der vertrauten steinernen Kirche mit dem quadratischen
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