Eine geheimnisvolle Lady
steinernen Mauern wider wie ein Kommando aus dem Himmel. Dann steuerte er den Altar an.
Diana erkannte sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hatte sich stets so vital und geschmeidig bewegt. Jetzt ging er am Stock, langsam und unbeholfen, als würde ihm jeder Schritt Schmerzen bereiten.
»Was ist mit dir geschehen?« Entschlossen riss sie sich von Burnley los und eilte Ashcroft entgegen.
»Nur das Resultat einer kleinen Auseinandersetzung.«
Sein vertrauter trockener Humor ließ ihr Herz höherschlagen, und sie blinzelte die brennenden Tränen weg, die ihren Blick verschleierten.
»Was ist passiert, Tarquin?« Beinahe klang ihre Frage wie ein Schluchzen. Sie streckte ihm die Hände entgegen und ließ sie wieder sinken. Warum er hier war, wusste sie noch immer nicht. Wenn er sie hasste, würde er wohl kaum versuchen, die Hochzeit zu verhindern.
Oder wollte er sich auf bizarre Weise rächen? Würde er sie vor den Hochzeitsgästen verunglimpfen und ihr die Chance nehmen, Burnley zu heiraten? Wie konnte er das tun? Ein Skandal würde die Eheschließung nicht verhindern. Nichts würde das erreichen außer ihrer schmerzlichen Sehnsucht nach diesem Mann – nicht nach dem Marquess, dem sie sich versprochen hatte.
»Tarquin?«, wiederholte sie in wachsender Sorge.
»Frag deinen Verlobten«, stieß Ashcroft wütend hervor und warf einen vernichtenden Blick in Burnleys Richtung.
»Halten Sie Ihr verdammtes Maul, elender Bastard!«, schrie Burnley, und Diana hörte den Stock klicken, als er die Altarstufen herabhinkte.
»Du bist verletzt«, klagte sie. Eben noch hatte sie sich ermahnt, Abstand zu wahren. Aber die Stimme der Vernunft verlor den Kampf, und Diana trat näher zu Ashcroft. Bestürzt sah sie in seinem attraktiven Gesicht die Spuren der Qual, die er erlitten hatte. Über seine Wange zog sich eine lange, gerötete Narbe.
Sie erinnerte sich daran, wie er vor zwei Monaten den Landsitz verlassen hatte – in Gesellschaft von Burnleys kräftigsten Lakaien. Hatte der Marquess ihnen befohlen, Ashcroft zusammenzuschlagen? Warum war ihr das entgangen?
Von abgrundtiefem Hass erfasst, fuhr sie zu dem Mann herum, den sie beinahe geheiratet hätte. »Das verdankt er Ihnen !«
Von oben herab starrte er sie an. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Mädchen.«
»Sie waren es!« Ihre Stimme bebte vor Zorn. »Offenbar hat es Ihnen nicht genügt, den Earl mit Ihren Enthüllungen zu zerstören. Nein, Sie wollten ihn umbringen lassen.«
Höhnisch schüttelte er den Kopf. »Seien Sie nicht so theatralisch! Kommen Sie zurück, beenden wir die Zeremonie. Was dieser Narr versucht, ist völlig unmöglich, denn es gibt keinen Grund, der Sie davon abhalten könnte, mich zu heiraten.«
»Doch«, erwiderte sie in entschiedenem Ton. »Sie wollten den Mann, den ich liebe, ermorden lassen, Mylord.«
Hinter ihrem Rücken hörte sie Ashcroft verblüfft nach Luft schnappen.
Anscheinend merkte Burnley noch immer nicht, dass er mit seinem Anschlag auf Ashcrofts Leben die Chance auf einen Erben von seinem Blut verspielt hatte. »Oh, um Himmels willen, hören Sie auf mit dem Unsinn und sprechen Sie Ihr Gelübde!«, verlangte er ungeduldig.
»Tu es nicht, Diana.«
Ashcrofts sanfte Stimme zwang sie, ihn wieder anzuschauen. Noch nie hatte sie sein Gesicht mit so ernsthaften Zügen gesehen, nicht einmal bei seinem Heiratsantrag auf der Waldlichtung. Bevor Burnleys Schläger über ihn hergefallen waren. »Er hat dich verletzt.«
»Das ist unwichtig.«
»Nein.« Tränen erstickten ihre Stimme.
»Seien Sie nicht albern, Diana«, stieß Burnley hinter ihr hervor. »Verstehen Sie nicht, was ihn hierhergetrieben hat? Er will Sie entführen! Weil das seine einzige Möglichkeit ist, Rache an mir zu üben!«
Ashcroft ignorierte ihn. »Komm mit mir.«
Burnleys durchdringende Stimme verblasste zu einem fernen Rauschen, und Diana glaubte, in Ashcrofts grünen Augen zu ertrinken. In diesem Moment existierte niemand anderer. Endlich erwärmte sich ihr gefrorenes Herz wieder und pochte immer schneller. Sie machte noch einen Schritt in Ashcrofts Richtung. Aber sie berührte ihn noch immer nicht.
Für Berührungen würden sie später noch genug Zeit finden, wenn sie die dunklen Schatten von Cranston Abbey verlassen hatten. Jetzt kam es nur auf ein einziges Wort an.
»Ja.«
29
Ja.
Der reine Wohlklang dieses Wortes hallte in Ashcrofts Seele wider. Gelobt seien der Herr und alle Engel. Lasst Glocken läuten, lasst Feuerwerk den Himmel
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