Eine geheimnisvolle Lady
mag, weißt du. Von Anfang an musst du es gewusst haben, sogar in jenem Moment, als ich dich aus meinem Haus warf.«
Stimmte das? Ja, irgendetwas hatte sie sofort mit ihm verbunden. Etwas, was sie letzte Nacht bewogen hatte, mit ihm aus dem Ballsaal und in die dunkle Gasse zu eilen. Etwas, was stark genug war, dass sie an diesem Tag seinen erotischen Befehl ohne Zögern befolgt hatte.
Ironisch prostete er ihr mit dem Silberfläschchen zu und trank daraus. Diana versuchte, nicht auf die Bewegung seiner kraftvollen Halsmuskeln zu achten. In Marsham hatte sie sich einen bleichen, verweichlichten Lüstling vorgestellt. Aber der Earl erweckte den Eindruck, er könnte es mit mehreren Ringkämpfern zugleich aufnehmen.
»Vielleicht weißt du Herausforderungen zu schätzen«, bemerkte sie leichthin, obwohl ihr ganz anders zumute war. »Allerdings ließ mein Widerstand zu wünschen übrig.«
»Dafür sei dem Herrn gedankt.«
»Du bist sicher daran gewöhnt, dass Frauen sich dir an den Hals werfen.«
Lässig zuckte er die Achseln. »Meine Bescheidenheit verbietet mir eine Antwort.«
Trotz ihrer Selbstverachtung musste sie lächeln. Sie nahm noch einen Schluck Wein, genoss den edlen Geschmack und ließ die Flüssigkeit durch die Kehle rinnen. Nun hatte Ashcroft ihre Neugier erregt, die einem seltsamen Fieber glich. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. »Sagst du immer Ja?«
Die Kutsche verlangsamte das Tempo und hielt. Offenbar hatten sie Lord Montjoys Haus erreicht. Diana erschauerte. Denn das bedeutete, dass Ashcroft sie wieder berühren würde. Sie durfte ihn nicht begehren. Doch sie sehnte sich so sehr nach ihm.
In den letzten acht Jahren hatte sie die Macht der Leidenschaft vergessen. Und nicht einmal im ersten betörenden Eheglück war sie so erpicht auf physische Freuden gewesen – und auf den Mann, der sie ihr schenkte. Vielleicht war es jetzt anders, weil sie und Ashcroft nichts sonst teilten.
Er warf ihr einen rätselhaften Blick zu. »Nicht immer.«
»Also ist die Verfügbarkeit nicht das Einzige, was du von einer Liebhaberin verlangst?« Vor Nervosität bebte ihre Stimme – und vor drängender Lust. Welch eine erbärmliche Närrin sie war … Obwohl er sie nicht berührte, tobte ein Feuer in ihr, und ihr Körper wurde ihr fremd, geriet außer Kontrolle.
Er brach in Gelächter aus. »Merkst du eigentlich, wie beleidigend deine Fragen wirken, Diana?«
Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. »Oh, ich versuche dich nur zu verstehen.«
»Dann sollte ich dir erklären, dass die Anziehungskraft zwischen einer Frau und einem Mann immer mysteriös ist.«
Ashcroft beobachtete Dianas Reaktion auf seine Antwort. Trotz ihrer Schönheit wusste er nicht genau, was ihn zu ihr hinzog. Seinem üblichen Stil entsprach sie nicht. Seine Liebhaberinnen waren weltgewandt und raffiniert, und sie kannten sich mit den erotischen Spielchen der Gesellschaft aus.
Für Diana galt das alles nicht. Sie war eine faszinierende Mischung aus Leidenschaft und Zurückhaltung. Während sie ihm ihren bezaubernden Körper schenkte und ihre Lust genoss, hielt sie ihn auf Distanz.
In der letzten rastlosen und verdammt einsamen Nacht hatte er sich eingeredet, Dianas Reiz würde verblassen. Nur ein weiteres Symptom seiner seltsamen Stimmung in diesem Sommer. Sobald er sie besessen hatte, würde sie ihre Magie verlieren. Welch ein Irrtum …
Er nahm ihr den Becher aus der Hand. So unsicher sah sie aus, so absurd jung, wenn die erste Jugendblüte auch hinter ihr lag. Ihre Haut war faltenlos. Aber in den grauen Augen lag ein Wissen um tiefe Trauer. Sie war kein naives Mädchen mehr.
Zu seiner Erleichterung erschien sie ihm nicht mehr völlig verstört. Nach dem Liebesakt hatte sie den Eindruck erweckt, ihr Herz wäre gebrochen. Trauerte sie immer noch um ihren verstorbenen Ehemann? Offensichtlich hatte sie ihn sehr geliebt, und die Intimitäten mit einem anderen mussten schmerzliche Erinnerungen heraufbeschwören. Und sie fühlte sich nicht wohl dabei. Das hatte er nur zu deutlich gespürt, als er in ihre viel zu enge Weiblichkeit eingedrungen war.
Nun ordnete sie ihr zerzaustes Haar und setzte den Hut mit dem Schleier auf. Ashcroft klopfte an das Wagendach.
Dann zog er die Vorhänge auseinander. Die Kutsche stand im Stallhof hinter Perrys Haus. Allzu viel Wein hatte Diana nicht getrunken. Er leerte den Becher, schraubte ihn auf das Silberfläschchen und steckte es in die Wandtasche.
Als Tobias den Wagenschlag öffnete, stieg Ashcroft
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