Eine geheimnisvolle Lady
konnte.
Wie sollte sie das anfangen, ohne sich zu erniedrigen? Ohne zu gestehen, dass sie ein Kind von ihm empfangen wollte? Sie wusste es nicht. Nur eins wusste sie: Sie musste die Affäre beenden, bevor sie ihm ein noch größeres Unrecht antat.
Sie kam sich vor wie ein Feigling. Aber sie hatte einfach keine Kraft mehr. Eine Zeit lang würde sie sich verstecken, und dann versuchen, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben.
»Wach auf, Diana!«
Lauras Stimme und die sanfte Hand, die ihre Schulter rüttelte, rissen Diana aus bösen Träumen. Widerstrebend hob sie ihre schweren Lider und schaute die Freundin an, die sich zu ihr herabneigte.
Nun richtete Laura sich auf, die Hände in die Hüften gestützt. Das Lampenlicht zeigte tiefe Sorge in den dunklen Augen. Hinter ihr stand die Tür offen und gab den Blick auf den schwarz-weiß gefliesten Boden der Eingangshalle frei.
Stöhnend bewegte Diana sich in ihrem Sessel und streckte den steifen Nacken. Offenbar war sie eingeschlafen. Kein Wunder, die Leidenschaft hatte sie völlig erschöpft. Und das schlechte Gewissen hielt sie immer wieder wach, wenn sie eine Gelegenheit fand, sich auszuruhen.
»Wie spät ist es?«, fragte sie müde. Vorsichtig straffte sie ihren Rücken und strich das wirre Haar aus ihrem Gesicht. Während des unbeabsichtigten Schlummers hatte sich ihre Frisur aufgelöst.
»Acht Uhr. Gerade hat James mir erzählt, du seist nach Hause gekommen. Ich nahm an, du wärst noch nicht da.«
Nicht so spät, wie Diana gedacht hatte. »Hast du schon gegessen?«
»Nein. Leistest du mir Gesellschaft? Oder hast du noch eine andere Verabredung?«
Eine andere Verabredung – das bedeutete nichts weiter als ein Treffen mit Ashcroft, wie beide Frauen wussten.
»Nein.« Zu Dianas Überraschung war sie hungrig. Wie üblich hatte Lord Montjoys Personal ein üppiges Buffet im Gästeapartment angerichtet. Doch das leidenschaftliche Paar war zu eifrig bestrebt gewesen, einen anderen Hunger zu stillen. Danach hätte sie gemeinsam mit Ashcroft eine Mahlzeit einnehmen können, war aber geflohen – voller Angst, er würde ihr das ruchlose Geheimnis entlocken.
»Gut, dann gebe ich der Köchin Bescheid.« Laura wandte sich ab und hielt inne, als an der Haustür gehämmert wurde.
Verwirrt stand Diana auf. »Erwartest du jemanden?«
Laura verzog die Lippen. »Glaubst du, ich würde irgendwen in London kennen?«
Von plötzlicher Panik erfasst, ignorierte Diana die unausgesprochene Klage. »Könnte es Burnley sein?«
Bitte, lieber Gott, nicht jetzt. Nicht, wenn sie verzweifelt und verwirrt war und völlig derangiert aussah. Nicht, wenn sie wie eine Frau roch, die den ganzen Tag unter einem Mann verbracht hatte.
Vielsagend erwiderte Laura ihren Blick. »Seine Lordschaft würde wohl kaum anklopfen.«
Noch einmal erklangen die gebieterischen Schläge und hallten unheilvoll durch das ganze Haus. Wo um alles in der Welt trieben sich die Dienstboten herum?
Als hätte er ihre stumme Frage gehört, kam der Lakai James aus dem Untergeschoss heraufgelaufen. Er kaute noch und knöpfte sich auf dem Weg hastig die Jacke zu. Offenbar hatte er sein Dinner genossen. Warum auch nicht? Da keine gewaltigen Besucherscharen auf dieses Haus einstürmten, musste er wohl kaum in jeder Minute des Tages auf dem Posten sein.
Nervös wandte sich Diana zu Laura. »Keine Ahnung, wer das ist. Falls mich irgendjemand sehen will, ich bin nicht da.«
Die Freundin nickte, eilte hinaus und schloss die Bibliothekstür. Wahrscheinlich irrte sich der Besucher in der Adresse. Außer Burnley und den wenigen vertrauenswürdigen Dienstboten wusste niemand, wo Diana wohnte. Sie wartete vor dem Kamin. Blicklos starrte sie den kalten Rost an. Draußen ertönten Stimmen. Doch das Haus war erstaunlich schalldicht.
Als Laura einige Minuten später in die Bibliothek zurückkehrte, drehte Diana sich um und erwartete zu hören, der Besucher sei gegangen.
Dann runzelte sie verwirrt die Stirn. Die Freundin war leichenblass und krallte die Finger in die Falten ihres Rocks, eine uncharakteristische Geste.
Und dann blickte Diana über Lauras Schulter hinweg. Entsetzt griff sie an ihre Kehle.
Lord Ashcroft hatte sie gefunden.
21
»Ashcroft …« Dianas Kehle schnürte sich zu.
Alles umsonst. Ihre Ränke und Listen, ihr ganzes Lügengebäude stürzte über ihr zusammen. Er stand vor ihr und würde die Wahrheit herausfinden. Es war unvermeidlich.
Niemals würde er ihr verzeihen.
Mit unergründlichen dunkelgrünen
Weitere Kostenlose Bücher