Eine geheimnisvolle Lady
stand, ein untrüglicher Beweis für die Lüge. »Schon am ersten Tag.«
Er hatte Diana Carrick mit einer Aufmerksamkeit studiert, die er für gewöhnlich nur eben erst erworbenen Kunstgegenständen widmete – nicht lebenden, atmenden Frauen, die er in sein Bett lockte. Warf das kein bezeichnendes Licht auf den Wert seiner früheren Affären?
»Was du mir erzählt hast, weiß ich«, erwiderte er in ruhigem Ton. Die Lüge hinsichtlich des Grunds, warum sie mit ihm schlief, hatte er längst durchschaut.
»Nun, dann …« Sie versuchte sich loszureißen.
Aber er hielt sie eisern fest. »Damit hast du mich nicht überzeugt, Diana.«
Verwirrt gab sie den Kampf auf. Zum ersten Mal, seit er die unwillkommene Frage gestellt hatte, schaute sie ihn an. In ihren Augen schwammen vertraute Schatten, wie Haie in einem seichten Meer. »Ich verstehe nicht, was du meinst.« Ihre Stimme klang nicht erbost. Sondern angstvoll.
Ashcroft ignorierte den Protest seines Gewissens. »Doch, das tust du.«
»Da bildest du dir zu viel ein und siehst Geheimnisse, wo es keine gibt.« Zitternd rang sie nach Atem, und er merkte ihr an, in welcher Sekunde sie beschloss, ihre erfundene Geschichte auszuschmücken.
Vielleicht würde er diese zielstrebige Konzentration auf erotische Genüsse tausend anderen Frauen zutrauen – der Diana, die er kannte, nicht. Gewiss, sie war vital und leidenschaftlich, aber auch willensstark und keine Sklavin ihres sinnlichen Appetits. Wenigstens entgegnete sie nicht, er habe kein Recht, sie ins Verhör zu nehmen. Immerhin ein Eingeständnis der Intimität, die zwischen ihnen herrschte und der sie sich so beharrlich widersetzte.
»Daheim wird mein Verhalten ganz genau beobachtet. Wenn ich einen Mann in mein Bett holen will, brauche ich den Segen der Kirche. Ich will …«
Plötzlich verstummte sie. Obwohl er ihre Gedanken zu erraten glaubte, war er nicht sicher, ob sie log oder die Wahrheit sagte. Vielleicht eine abstruse Mischung aus beidem. Ihr Handgelenk entspannte sich in seinem Griff – ein Zeichen, dass sie seine Fragen bis zu einem gewissen Grad beantworten würde. Fatalistisch überlegte er, wann sie diesen Grad erreichen würde.
Diana seufzte. »Acht Jahre lang führte ich das Leben einer keuschen Witwe. Und dann wünschte ich mir ein Abenteuer. Etwas, an das ich mich in meinem tugendhaften Alter erinnern würde.«
Nur teilweise glaubte er ihr. »Warum jetzt? Wieso hast du acht Jahre gewartet? Was bewog dich zu diesem riskanten Entschluss?«
In echter Verblüffung starrte sie ihn an. »Riskant?«
»Sei nicht naiv, Diana!«, mahnte er ungeduldig. »Was du tust, ist sogar sehr riskant.«
Sein Blut drohte zu gefrieren, während er sich die Männer vorstellte, die sie für ihre Eskapade hätte auswählen können. Da sie auf einen erfahrenen Liebhaber Wert legte, standen alle skrupellosen Londoner Schürzenjäger und Hurenböcke auf dieser Liste.
Geflissentlich verdrängte er die Tatsache, dass auch der Earl of Ashcroft dazu zählte.
Ihr Lächeln drückte bedingungsloses Vertrauen aus. »Als würdest du mir jemals wehtun!«
Mit diesen Worten erwärmte sie sein Herz, was er energisch bezwang. »Das weißt du jetzt. Bei unserer ersten Begegnung wusstest du es nicht . Und es gibt andere Verletzungen. Zum Beispiel ein unerwünschtes Kind, das deinen Ruf ruinieren würde.«
»Wie sich das anhört … Bedauerst du meine Wahl?«
»Niemals«, versicherte er und hoffte, sie würde nicht merken, wie ernst er das meinte. »Warum wolltest du gerade jetzt nach London kommen? Irgendetwas muss sich geändert haben. Im Grunde bist du eine tugendhafte Frau.«
»Wieso behauptest du das?« Ärgerlich hob sie die Brauen. »Nach allem, was zwischen uns geschehen ist?«
Er lachte erstaunt. »Das war keine Kritik, Liebste. Ich finde dich unwiderstehlich. Das weißt du.« In eindringlichem Ton fuhr er fort: »Erklär es mir, Diana.«
Nach einer kurzen Pause in angespannter Atmosphäre sagte sie leise: »Daheim will mich jemand heiraten.«
Schmerzhaft verengte sich seine Kehle. Wie konnte sie einen anderen Mann erwähnen? Wusste sie nicht, dass sie zu ihm gehörte? Der verrückte Gedanke drängte sich in den Vordergrund seines Bewusstseins und ließ sich nicht mehr verbannen. Immerhin war er der berüchtigte, unbeständige, kapriziöse Earl of Ashcroft, der einer Frau ungehemmtes Amüsement versprach und sich verabschiedete, sobald sein Interesse erlosch.
Was die Vorstellung, Diana mit einem anderen zu teilen,
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