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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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französischen Haus, und zwar schon seit etwa zwanzig Jahren.«
    »Damals, Sir – darf ich fragen, was Ihr mit diesem ›damals‹ meint?«
    »Ich spreche von der Zeit vor zwanzig Jahren, Miß. Er heiratete – eine englische Dame –, und ich war einer der Bevollmächtigten. Seine Angelegenheiten befanden sich wie die vieler französischer Herren und Familien ganz in Tellsons Händen. So bin ich denn oder war ich in der einen oder anderen Weise der Vertraute für viele unserer Kunden. Dabei handelt es sich nur um geschäftliche Beziehungen, die mit besonderem Interesse, Gefühl und Freundschaft nichts zu schaffen haben. Ich übernahm im Laufe meines Geschäftslebens bald diesen, bald jenen Dienst, geradeso wie ich im Laufe des Geschäftstages von einem unserer Kunden zum anderen übergehe; kurz, ich habe keine Gefühle – bin eine bloße Maschine. Um fortzufahren …«
    »Aber Eure Geschichte betrifft wohl meinen Vater, Sir, und ich fange an zu glauben« – die seltsam gefurchte Stirn war ihm mit großer Aufmerksamkeit zugewendet –, »daß Ihr es
wart, der mich nach England brachte, als ich nach dem Tode meiner Mutter, die meinen Vater nur um zwei Jahre überlebte, verwaist in der Welt stand. Ja, ich bin fest überzeugt davon.«
    Mr. Lorry nahm die zögernde kleine Hand, die vertrauensvoll sich genähert hatte, um die seinige zu ergreifen, und brachte sie mit einiger Förmlichkeit an seine Lippen. Dann führte er die junge Dame wieder zu ihrem Stuhl, stützte seine Linke auf die Lehne und benutzte seine Rechte abwechselnd, um sich das Kinn zu reiben, die Perücke gegen das Ohr zu ziehen oder seinen Worten Nachdruck zu geben, während er auf das achtsam zu ihm aufschauende Gesichtchen niederblickte.
    »Ja, ich war es, Miß Manette. Und Ihr werdet sehen, wie wahr ich eben von mir selbst gesprochen, als ich sagte, daß ich keine Gefühle habe und meine Beziehungen zu meinen Nebenmenschen rein geschäftlicher Natur seien, wenn Ihr Euch vergegenwärtigt, daß ich Euch seitdem nie wieder gesehen habe. Nein, Ihr wart von jener Zeit an Tellsons Mündel, und ich hatte in anderen Geschäften des Hauses Tellson zu tun. Gefühle? Dafür finde ich weder Zeit noch Gelegenheit. Ich verbringe mein Leben damit, Miß, daß ich stets eine ungeheure Geldmaschine drehe.«
    Nach dieser eigentümlichen Schilderung seines täglichen Geschäftslebens strich Mr. Lorry mit beiden Händen die flachsfarbige Perücke auf seinem Kopfe glatt (wohl ein unnötiges Bemühen, da ihre glänzende Oberfläche schon vorher nicht glatter hätte sein können) und nahm seine frühere Haltung wieder ein.
    »Wie Ihr bemerkt habt, Miß, paßt die bisherige Geschichte auf Euren Vater, den Ihr betrauert; jetzt aber kommt der Unterschied. Wenn Euer Vater nicht gestorben wäre, als er … Ihr müßt nicht erschrecken. Warum fahrt Ihr so zusammen?« Sie
war wirklich zusammengefahren und faßte seinen Arm mit ihren beiden Händen.
    »Ich bitte«, fuhr Mr. Lorry in beschwichtigendem Tone fort, indem er seine Linke von der Stuhllehne entfernte, um sie auf die flehenden Finger zu legen, die mit so heftigem Zittern seinen Arm umfaßt hielten, »ich bitte, bekämpft Eure Aufregung – eine Geschäftssache. Ich wollte sagen …«
    Ihr Blick brachte ihn dermaßen außer Fassung, daß er innehielt, beiseite sah und dann von neuem anhob.
    »Ich wollte sagen – wenn Monsieur Manette nicht gestorben, sondern nur plötzlich in aller Stille verschwunden und nach irgendeinem schrecklichen Platze entrückt worden wäre, den man wohl erraten, aber nicht ermitteln konnte; wenn er einen Feind gehabt hätte in einem Landsmann, dem ein Vorrecht zu Gebote stand, von dem zu meiner Zeit auch die mutigsten Männer dort über dem Wasser drüben nur mit Flüstern sprachen – die Befugnis zum Beispiel, Formulare auszufüllen, die irgend jemand für beliebige Zeit dem Vergessenwerden in einem Gefängnis überantworten –; wenn seine Gattin sich vor König und Königin, Hof und Geistlichkeit in den Staub geworfen hätte, um etwas von ihm zu erfahren, aber alles vergeblich: dann wäre die Geschichte Eures Vaters auch die jenes unglücklichen Mannes, des Doktors von Beauvais, gewesen.«
    »Ich bitte Euch flehentlich, mir alles zu sagen, Sir!«
    »Es soll geschehen. Ich bin im Begriff. Könnt Ihr es ertragen?«
    »Ich kann alles ertragen, nur nicht die Ungewißheit, in der Ihr mich schweben laßt.«
    »Ihr sprecht gefaßt, und Ihr seid es wohl auch. Recht so.« Freilich schien er innerlich

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