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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Mr. Lorry, sich furchtsam in dem Zimmer umsehend. »Wenn Ihr wirklich von dem überzeugt seid, was Ihr sagt – wenn Ihr die Macht habt, die Ihr zu besitzen meint – und ich glaube, daß es so ist –, so gebt Euch diesen Teufeln zu erkennen und laßt Euch von ihnen nach La Force mitnehmen. Vielleicht ist es schon zu spät – was weiß ich? –, aber zögert keine Minute länger.«
    Doktor Manette drückte ihm die Hand, eilte barhäuptig aus dem Zimmer und befand sich schon im Hof, als Mr. Lorry die Jalousie wieder schloß.
    Sein wallendes weißes Haar, sein merkwürdiges Gesicht und die ungestüme Zuversichtlichkeit seines Benehmens, als er die Waffen wie Wasser zurückdrängte, führten ihn im Nu bis in die Mitte des um den Stein versammelten Haufens. Für einige Augenblicke trat eine Pause ein. Lorry vernahm ein Gewühl, ein Gemurmel und den undeutlichen Ton seiner Stimme; dann sah er, wie alle in umringten und wie er in der Mitte einer zwanzig Mann langen Reihe unter dem Rufe hinausgedrängt wurde: »Es lebe der Bastillegefangene! Hilfe der Verwandtschaft des Bastillegefangenen in La Force! Platz da vorn für den Bastillegefangenen! Rettet den gefangenen Evrémonde in La Force!« Und tausend Stimmen antworteten auf das Geschrei.
    Mit klopfendem Herzen schloß Mr. Lorry die Jalousie und das Fenster wieder und schob den Vorhang vor. Dann eilte er zu Lucie und teilte ihr mit, daß ihr Vater unter dem Beistand des Volkes hingegangen sei, um ihren Gatten aufzusuchen. Sie hatte ihr Kind und Miß Proß bei sich, aber es fiel ihm nicht ein, sich über diese ihre Gesellschaft zu wundern, und er wunderte sich erst lange nachher darüber, als er sie ruhig betrachtete, soweit diese Nacht es erlaubte.
    Lucie war, seine Hand umfassend, in einem Zustand von
Betäubung zu Boden gesunken. Miß Proß hatte das Kind auf sein Bett niedergelegt, und ihr Haupt ruhte erschöpft neben dem teuren Pflegling auf dem Kissen. Oh, die lange, lange Nacht mit dem Stöhnen des armen Weibes! Und oh, die lange, lange Nacht, ohne daß ihr Vater oder Kunde von ihm zurückkam!
    Noch zweimal tönte in der Dunkelheit die Glocke des großen Tores; die Unterbrechung der Stille wiederholte sich, und aufs neue ging und sprühte der Schleifstein.
    »Was ist das?« rief Lucie erschrocken.
    »Pst! Die Soldaten schärfen dort ihre Säbel«, antwortete Mr. Lorry. »Das Haus ist jetzt Nationaleigentum und dient als eine Art Rüstplatz, meine Liebe.«
    Noch zweimal im ganzen; aber das letzte Mal ging die Arbeit nur matt und krampfhaft vonstatten. Bald nachher begann der Tag aufzudämmern. Mr. Lorry machte sich sanft von der ihn umklammernden Hand los und schaute vorsichtig wieder hinunter. Ein Mann, der so mit Blut beschmiert war, daß er einen schwerverwundeten, auf dem Schlachtfeld wieder zum Bewußtsein gekommenen Soldaten hätte vorstellen können, richtete sich neben dem Schleifstein vom Pflaster auf und schaute unstet um sich her. Erschöpft bemerkte er in dem unvollkommenen Licht einen von den Wagen Monseigneurs, taumelte auf die prächtige Karosse zu, kletterte hinein und schloß den Schlag, um sich auf den üppigen Polstern auszuruhen.
    Der große Schleifstein drehte sich, als Mr. Lorry wieder hinaussah, und die Sonne schien rot in den Hof. Aber der kleine Schleifstein stand einsam da in der ruhigen Morgenluft, und das Rot auf ihm rührte nicht von der Sonne her, die es auch nicht zu bleichen vermochte.
    Drittes Kapitel
    Der Schatten
    Eine der ersten Überlegungen, die bei Beginn der Bürostunden in Mr. Lorrys Geschäftshirn auftauchten, galt dem Umstand, daß er nicht befugt sei, Tellsons zu gefährden, indem er der Frau eines gefangenen Emigranten unter dem Dach der Bank einen Zufluchtsort gewährte. Sein Privateigentum, seine Sicherheit, ja sein Leben würde er bereitwillig und ohne Zögern für Lucie und ihr Kind aufs Spiel gesetzt haben; aber das in ihn gesetzte Vertrauen legte ihm auch eine schwere Verantwortung auf und machte ihn zum strengen Geschäftsmann.
    Er dachte zunächst an Defarge, dessen Weinhaus er wieder aufsuchen wollte, um sich mit ihm über die sicherste Wohnstätte, die sich in der wildbewegten Stadt finden ließ, zu beraten. Nach einiger Überlegung aber besann er sich eines anderen. Defarge wohnte in dem gewalttätigsten Stadtteil und besaß dort ohne Zweifel großen Einfluß, ja er war wohl gar an dem wilden Treiben der Bewohner stark beteiligt.
    Der Mittag kam, ohne daß der Doktor zurückkehrte. Da jede Minute Tellsons mehr

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