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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Gesellschaft zu widmen – in dem Büro von Tellsons Bank zum Beispiel?«
    »Unter Bedrohung?«
    »Oh, habe ich etwas der Art gesagt?«
    »Wenn nicht, warum sollte ich Euch dahin folgen?«
    »In der Tat, Mr. Barsad, wenn Ihr's nicht selbst wißt, so kann ich's Euch nicht sagen.«
    »Soll dies so viel heißen wie, Ihr wollt es nicht sagen?« fragte der Spion unschlüssig.
    »Ihr habt mich vollkommen verstanden, Mr. Barsad. Ja.«
    Cartons gleichgültiges, nachlässiges Wesen kam seinem Scharfsinn und seiner Geschicklichkeit in Behandlung des Anliegens, auf das er es heimlich abgesehen hatte, einem solchen Manne gegenüber ungemein zustatten. Sein geübtes Auge er
kannte das, und er machte die Wahrnehmung sich bestens zunutze.
    »Hab ich's nicht gesagt?« bemerkte der Spion mit einem vorwurfsvollen Blick auf seine Schwester. »Wenn ein Unglück dabei herauskommt, so bist du schuld.«
    »Ei, Ihr müßt nicht undankbar sein, Mr. Barsad«, sagte Sydney. »Hätte ich nicht so große Achtung vor Eurer Schwester, so wär's vielleicht nicht auf so gütlichem Wege zu dem kleinen Vorschlag gekommen, den ich Euch zu unserer beiderseitigen Befriedigung zu machen gedenke. Wollt Ihr mit mir nach der Bank kommen?«
    »Ich will hören, was Ihr mir zu sagen habt. Ja; ich gehe mit Euch.«
    »Zuerst können wir Eurer Schwester ein sicheres Geleit bis an die Ecke ihrer Straße geben. Reicht mir Euren Arm, Miß Proß. Dies ist keine Stadt, in der man zu solcher Zeit Frauenzimmer ohne Schutz durch die Straßen gehen lassen kann, und da Euer Begleiter Mr. Barsad kennt, so will ich ihn einladen, mit uns zu Mr. Lorry zu kommen. Sind wir fertig? Gut; so wollen wir aufbrechen.«
    Miß Proß fühlte bald nachher und erinnerte sich dessen bis an ihr Lebensende, wie in dem Arm, auf den sie sich stützte, eine eherne Festigkeit und in den Augen, an die sie in stummem Aufschauen die Bitte richtete, daß ja ihrem Salomon kein Leid geschehen möge, eine Begeisterung lag, die nicht nur im Widerspruch stand zu Cartons anscheinend gleichgültigem Wesen, sondern den ganzen Mann umwandelte und erhob. Freilich war sie damals viel zu sehr von der Angst um ihren Bruder, der ihre Liebe so wenig verdiente, und von Sydneys freundlichen Versicherungen in Anspruch genommen, als daß sie diese Wahrnehmung in jenem Augenblick gehörig hätte würdigen können.
    Sie verließen sie an der Straßenecke, und Carton ging voran nach Mr. Lorrys Wohnung, die sie nach wenigen Minuten erreichten. John Barsad (oder Salomon Proß) ging ihm zur Seite.
    Mr. Lorry hatte eben seine Abendmahlzeit beendet und saß vor einem behaglichen Holzfeuerchen; vielleicht spähte er in der Glut nach dem Bild jenes damals etwas jüngeren ältlichen Gentlemans von Tellsons, der vor vielen Jahren im ›König Georg‹ zu Dover gleichfalls in die Kohlen geschaut hatte. Bei ihrem Eintritt wandte er ihnen den Kopf zu und war nicht wenig erstaunt, als er eines Fremden ansichtig wurde.
    »Der Bruder von Miß Proß, Sir«, sagte Sydney. »Mr. Barsad.«
    »Barsad?« wiederholte der alte Herr. »Barsad? Der Name kommt mir bekannt vor – und auch das Gesicht.«
    »Ich sagte Euch ja, Ihr habt ein merkwürdiges Gesicht, Mr. Barsad«, bemerkte Carton kalt. »Bitte, nehmt Platz!«
    Während er für sich selbst einen Stuhl herbeirückte, versah er Mr. Lorry mit dem ihm fehlenden Bindeglied, indem er mit finsterer Miene sagte: »Zeuge bei jener Gerichtsverhandlung.«
    Mr. Lorry erinnerte sich sogleich und betrachtete den neuen Gast mit der Miene unverhüllten Abscheus.
    »Mr. Barsad ist von Miß Proß als der liebevolle Bruder erkannt worden, von dem Ihr schon gehört habt«, sagte Sydney, »und er erhebt keine Einwendung gegen die Verwandtschaft. Um auf eine schlimmere Neuigkeit überzugehen: Darnay ist wieder verhaftet worden.«
    »Was sagt Ihr da?« rief der alte Herr in äußerster Bestürzung. »Ich habe ihn doch erst vor zwei Stunden frei und in Sicherheit verlassen und bin eben im Begriff, zu ihm zurückzukehren.«
    »Gleichwohl verhaftet. Wann geschah es, Mr. Barsad?«
    »Wenn überhaupt, so muß es eben erst geschehen sein.«
    »Mr. Barsad kann die allerbeste Auskunft geben, Sir«, sagte
Sydney, »und ich erfuhr aus einer Mitteilung, die er vertraulich einem Freunde und Kollegen bei der Flasche machte, daß die Verhaftung stattgefunden hat. Er verließ die Gerichtsdiener am Tor, nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie von dem Pförtner eingelassen worden waren. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,

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