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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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öffnete. Es folgte darauf ein Füßegetrampel, und vier rauhe Männer in roten Mützen, die mit Säbeln und Pistolen bewaffnet waren, traten in das Gemach.
    »Der Bürger Evrémonde, genannt Darnay«, sagte der erste.
    »Wer sucht ihn?« versetzte Darnay.
    »Ich suche ihn. Wir suchen ihn. Ich kenne Euch, Evrémonde; ich sah Euch heute vor dem Tribunal. Ihr seid wieder der Gefangene der Republik.«
    Die vier umgaben die Stelle, wo er mit seinem Weib und seinem Kinde stand, die sich an ihn klammerten.
    »Sagt mir, wie das kommt. Warum bin ich wieder ein Gefangener?«
    »Ihr habt einfach in die Conciergerie zurückzukehren und werdet es morgen erfahren. Ihr seid für morgen vorgeladen.«
    Auf Doktor Manette hatte dieser Besuch so versteinernd gewirkt, daß er mit dem Licht in der Hand wie eine zum Leuchten bestimmte Statue dastand. Nachdem diese Worte gesprochen waren, stellte er das Licht nieder, trat dem Manne gegenüber, nahm ihn nicht unsanft bei dem Brustlatz seines rotwollenen Hemdes und sprach:
    »Ihr kennt ihn, habt Ihr gesagt. Kennt Ihr auch mich?«
    »Jawohl, Bürger Doktor.«
    »Wir alle kennen Euch, Bürger Doktor«, sagten die anderen drei.
    Er sah verwirrt bald den einen, bald den andern an und fuhr nach einer Pause mit gedämpfter Stimme fort:
    »Wollt Ihr dann mir auf seine Frage antworten? Wie kommt das?«
    »Bürger Doktor«, versetzte der erste mit Widerstreben, »er ist bei der Sektion von Saint Antoine denunziert worden. Dieser Bürger«, er deutete auf den zweiten der Eingetretenen, »ist von Saint Antoine.«
    Der bezeichnete Bürger nickte mit dem Kopfe und fügte hinzu: »Er ist in Saint Antoine angeklagt.«
    »Weshalb?« fragte der Doktor.
    »Bürger Doktor«, entgegnete der erste mit dem früheren Widerstreben, »fragt nicht weiter. Wenn die Republik Opfer von Euch fordert, so werdet Ihr ohne Zweifel als ein guter Patriot Euch glücklich schätzen, sie zu bringen. Die Republik geht allem vor. Das Volk ist das Höchste. Evrémonde, wir können nicht warten.«
    »Noch ein einziges Wort!« bat der Doktor. »Wollt Ihr mir sagen, wer ihn denunziert hat?«
    »Es ist gegen die Regel«, antwortete der erste, »aber Ihr könnt den von Saint Antoine da fragen.«
    Der Doktor richtete den Blick auf den Mann. Dieser scharr
te unruhig mit den Füßen, rieb sich den Bart ein wenig und sagte endlich:
    »Na, es ist freilich gegen die Regel; aber die Anklage – und zwar eine schwere – geht von dem Bürger und der Bürgerin Defarge und noch von einem Dritten aus.«
    »Wer ist dieser Dritte?«
    »Das fragt Ihr, Bürger Doktor?«
    »Ja.«
    »Dann«, versetzte der von Saint Antoine mit einem eigentümlichen Blick, »werdet Ihr morgen die Antwort hören – für jetzt bin ich stumm.«
    Achtes Kapitel
    Eine Handvoll Karten
    Ohne eine Ahnung von dem neuen Unglück zu haben, verfolgte Miß Proß ihren Weg durch die engen Gassen, ging auf dem Pont-Neuf über den Fluß und berechnete im Geiste, welche Einkäufe sie unbedingt machen müsse. Mr. Cruncher ging mit dem Korb neben ihr her. Beide schauten rechts und links in die meisten Läden hinein, an denen sie vorbeikamen, hatten ein wachsames Auge auf alle Volkszusammenläufe und bogen ab, sooft sie eine aufgeregte Gruppe bemerkten. Es war ein rauher Abend, und der neblige Fluß zeigte durch flackernde Lichter dem Auge und durch unheimliches Getöse dem Ohre an, wo die Barken lagen, in denen die Schmiede Waffen für die Armee der Republik anfertigten. Wehe dem Mann, der dieser Armee einen Possen spielte oder unverdient in ihr befördert wurde! Besser für ihn, sein Bart wäre nie gewachsen, denn das Nationalrasiermesser schor gar scharf.
    Nachdem Miß Proß einige Eßwaren und ein Kännchen Öl für die Lampe eingekauft hatte, dachte sie an den Wein, den man brauchte. Sie sah durch die Scheiben mehrerer Weinstuben hinein und machte endlich bei dem Schild ›Zum guten alten Republikaner Brutus‹, nicht weit von dem Nationalpalast, vormals den Tuilerien, halt, weil hier das Aussehen des Ganzen ihrem Geschmack leidlich zusagte. Das Haus nahm sich ruhiger aus als die anderen, an denen sie vorbeigekommen war; es gab darin wohl auch rote Mützen, aber doch nicht gar so viele. Nachdem sie Mr. Cruncher um seine Meinung befragt hatte, trat sie, von ihrem Knappen begleitet, bei dem ›Guten alten Republikaner Brutus‹ ein.
    Die beiden ausländischen Kunden achteten wenig auf die qualmenden Lichter, auf die Leute, die rauchend mit zerknitterten Karten und gelben Dominosteinen

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