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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Force saß.«
    Er murmelte als Antwort:
    »Richtig. Ich vergaß, wessen Ihr angeklagt seid.«
    »Der Verschwörung, obschon der gerechte Himmel weiß, daß ich so unschuldig bin wie nur irgendein Mensch. Wie wär's auch möglich? Wer dächte daran, sich mit einem so armen, schwachen Geschöpf, wie ich bin, zu verschwören?«
    Das schmerzliche Lächeln, mit dem sie dies sagte, bewegte ihn so, daß ihm die Tränen in die Augen traten.
    »Ich fürchte mich nicht, zu sterben, Bürger Evrémonde; aber ich habe nichts verbrochen. Ich sterbe gern, wenn die Republik, die den Armen so viel Gutes bringen soll, von meinem Tod einen Vorteil hat; nur sehe ich nicht ein, wie das möglich ist, Bürger Evrémonde. So ein armes, schwaches, kleines Geschöpf!«
    Eine letzte Erdenregung – sein Herz schlug wärmer und voll Mitleid für das bejammernswürdige junge Wesen.
    »Ich hörte, Ihr seid in Freiheit gesetzt, Bürger Evrémonde, und hoffte, es möchte wahr sein.«
    »Es war so. Aber ich wurde wieder festgenommen und verurteilt.«
    »Wenn ich auf Euren Wagen komme, Bürger Evrémonde, so erlaubt Ihr mir wohl, mich an Eurer Hand zu halten? Ich fürchte mich nicht; aber ich bin klein und schwach, und es würde mich ermutigen.«
    Als sie ihre geduldigen Augen zu seinem Gesicht erhob, las er darin einen plötzlichen Zweifel und dann den Ausdruck des Erstaunens. Er drückte ihre mageren, vom Hunger abgezehrten Finger und führte sie an seine Lippen.
    »Ihr wollt für ihn sterben?« flüsterte sie.
    »Und für sein Weib und sein Kind. Pst! Ja.«
    »Und Ihr wollt mir erlauben, daß ich mich an Eurer Hand halte, fremder Mann?«
    »Pst! Ja, meine arme Schwester; bis ans Ende.«
     
    Dieselben Schatten, die auf das Gefängnis niederfallen, lagern um dieselbe frühe Stunde des Nachmittags auf dem Gewühl, das draußen die Barriere umgibt. Eine Kutsche, die Paris verlassen will, kommt angefahren und wird untersucht.
    »Wer kommt da? Wer ist drinnen? Papiere?«
    Die Papiere wurden herausgereicht und geprüft.
    »Alexander Manette. Arzt. Franzose. Welcher ist es?«
    Dieser hier, der hilflose, unverständlich vor sich hinmurmelnde, geistesschwache alte Mann.
    »Es scheint, der Bürger Doktor ist nicht recht bei Sinnen. Das Revolutionsfieber wird ihm wohl zu stark gewesen sein.«
    Jawohl; viel zu stark.
    »Ha, es geht vielen so. – Lucie. Seine Tochter. Französin. Welche ist's?«
    Diese hier.
    »Ja, die ist's augenscheinlich, Lucie, das Weib Evrémondes, nicht wahr?«
    Ja.
    »Ha, Evrémonde hat seinen Paß anderswohin visiert erhalten. – Lucie, ihr Kind. Geborene Engländerin. Ist's diese?«
    Sie und keine andere.
    »Gib mir einen Kuß, Kind des Evrémonde! Na, du hast einen
guten Republikaner geküßt, und das ist etwas Neues in deiner Familie. Vergiß es nicht. – Sydney Carton. Advokat. Engländer. Welcher ist's?«
    Er liegt hier in der Wagenecke. Auch er wird besichtigt.
    »Es scheint, der englische Advokat ist ohnmächtig.«
    Man hofft, er werde sich erholen, wenn er in die frische Luft kommt. Er ist von schwächlicher Gesundheit und wurde von einem Freund getrennt, der sich das Mißfallen der Republik zugezogen hat.
    »Sonst nichts? Das will nicht viel heißen. Viele ziehen sich das Mißfallen der Republik zu und müssen durch das kleine Fenster schauen. Jarvis Lorry. Bankier. Engländer. Welcher ist's?«
    »Ich bin's – natürlich; 's ist sonst niemand mehr da.«
    Jarvis Lorry ist's, der alle die früheren Fragen beantwortet hat. Er ist ausgestiegen und steht da, die Hand auf dem Kutschenschlag, um den Barrierewächtern Auskunft zu geben. Sie umwandeln gemächlich den Wagen und besteigen das Trittbrett, um das wenige Gepäck auf dem Dache zu untersuchen. Die Landleute lungern umher, drängen sich rechts und links an den Kutschenschlag und glotzen hinein. Ein Kind, noch auf den Armen der Mutter, streckt den kleinen Arm aus, um das Weib eines Aristokraten anzurühren, der zur Guillotine gegangen ist.
    »Da habt Ihr Eure unterzeichneten Papiere, Jarvis Lorry.«
    »Kann man abfahren, Bürger?«
    »Man kann abfahren. Vorwärts, Postillione. Glückliche Reise!«
    »Gott befohlen, Bürger. – Die erste Gefahr vorüber!«
    Diese Worte spricht Jarvis später, während er mit einem Blick nach oben die Hände faltet. Im Wagen herrscht Angst und Weinen, und der besinnungslose Reisende atmet schwer.
    »Geht es nicht zu langsam? Kann man die Leute nicht bewegen, schneller zu fahren?« fragte Lucie, sich an den alten Mann anschmiegend.
    »Es

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