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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Empfindungen taten sich so mächtig und naturgetreu kund, daß die Gaffer, die kein Mitleid für den Angeklagten hatten, doch für sie einiges empfanden, und das Geflüster ging im Kreis herum: »Wer sind sie?« Jerry, der Aushelfer, der sich nach seiner Art seine Gedanken gemacht und dabei eifrig den Rost von seinen Fingern gesogen hatte, streckte seinen Hals aus, um zu hören, wer sie wären. Das Gedränge um ihn her hatte durch Weitergeben die Frage allmählich bis zu dem nächsten Gerichtsdiener gebracht, und in derselben Weise war die Antwort langsam zurückgekommen, bis sie endlich auch zu Jerry gelangte:
    »Zeugen.«
    »Für wen?«
    »Gegen.«
    »Gegen wen?«
    »Gegen den Gefangenen.«
    Der Richter hatte seine Blicke die allgemeine Richtung einschlagen lassen, nun aber wieder abgewendet; er lehnte sich zurück und sah fest auf den Mann hin, dessen Leben in seiner Hand lag, während der Staatsanwalt sich erhob, um den Strick zu drehen, das Beil zu schleifen und die Nägel in das Schafott zu hämmern.
    Drittes Kapitel
    Eine Enttäuschung
    Der Staatsanwalt hatte den Geschworenen mitzuteilen, daß der Gefangene vor ihnen, obschon noch jung an Jahren, alt sei in den hochverräterischen Praktiken, durch die er sein Leben verwirkt habe. Seine Korrespondenz mit dem Feinde des Landes stamme nicht nur von heute oder gestern, ja, nicht allein aus dem abgelaufenen oder dem vorletzten Jahre. Es sei gewiß, daß der Gefangene schon viel länger zwischen Frankreich und England Reisen gemacht habe in geheimen Angelegenheiten, über die er keine befriedigende Auskunft geben könne. Wenn es in der Natur verräterischer Schleichwege läge, zu einem Erfolg zu führen, was zum Glück nie der Fall sei, so wäre vielleicht die Schändlichkeit und Schuld seines Treibens unentdeckt geblieben; die Vorsehung aber habe es einer Person, die erhaben sei über üblen Leumund und Menschenfurcht, ins Herz gegeben, den schlimmen Entwürfen des Gefangenen nach
zuspüren und dieselben voll Entsetzen Seiner Majestät Erstem Staatssekretär und einem höchst ehrenwerten Geheimen Rat zu enthüllen. Dieser Vaterlandsfreund werde ihnen vorgestellt werden. Seine Stellung und sein Verhalten trage im ganzen den Charakter der Erhabenheit. Er sei des Gefangenen Freund gewesen; als er aber einmal in einer günstigen und bösen Stunde dessen Ehrlosigkeit entdeckt, habe er beschlossen, den Verräter, den er nicht länger an seinem Busen halten konnte, auf dem heiligen Altar des Vaterlandes zu opfern. Wenn in Britannien, wie es im alten Rom und Griechenland üblich gewesen, den Wohltätern des Landes Ehrensäulen errichtet würden, so hätte dieser treffliche Bürger zuverlässig den ersten Anspruch auf eine solche Auszeichnung; da dies aber in England nicht Sitte sei, so werde er sie wahrscheinlich auch nicht erhalten. Es sei von den Dichtern an verschiedenen Stellen, die, wie er wisse, die Geschworenen auswendig kennten (freilich war auf den Gesichtern der Geschworenen das Schuldbewußtsein ihres gründlichen Nichtwissens zu lesen), ausgesprochen worden, daß die Tugend in gewisser Art eine ansteckende Kraft besitze, besonders aber die leuchtende Tugend, die man Patriotismus oder Liebe zum Vaterland nenne. Das erhabene Beispiel dieses reinen und unanfechtbaren Zeugen für die Krone habe auch günstig auf den Bedienten des Gefangenen gewirkt und in ihm den ehrenvollen Entschluß geweckt, die Schubladen und Taschen seines Herrn zu untersuchen und dessen Papiere an sich zu nehmen. Er (der Staatsanwalt) sei zwar darauf gefaßt, daß man versuchen werde, diesen bewunderungswürdigen Diener etwas herabzuwürdigen; ihm für seine Person aber sei im ganzen dieser Ehrenmann eine teurere Person als seine (des Staatsanwalts) Brüder und Schwestern, und er schätze ihn höher als seinen eigenen Vater und seine Mutter; er könne daher mit Zuversicht die Geschworenen auffordern, das glei
che zu tun. Die Angaben dieser beiden Zeugen in Verbindung mit den von ihnen beigebrachten Dokumenten würden den Nachweis liefern, daß der Gefangene sich Listen über Seiner Majestät Streitkräfte und deren Verwendung zu Land und zur See verschafft habe, und es über allen Zweifel erheben, daß von ihm ständig solche Mitteilungen an den Feind gemacht worden seien. Zwar lasse sich in den besagten Schriften nicht ddie Handschrift des Gefangenen erweisen; dies falle jedoch nicht ins Gewicht und spreche eher für die Anklage, sofern sich daraus nur die Schlauheit und Vorsicht des

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