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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Verbrechers ergebe. Die Beweisführung werde bis auf fünf Jahre zurückgreifen und zeigen, daß der Gefangene sein verräterisches Treiben schon damals, einige Wochen vor der ersten Schlacht zwischen den britischen Truppen und den Amerikanern, geübt habe. Die Jury sei, wie er wisse, sehr loyal und habe, wie ihr selbst bekannt sei, Pflichten der Verantwortlichkeit; sie müsse also aus den angeführten Gründen den Gefangenen schuldig sprechen und, möge sie es gern tun oder nicht, mit ihm ein Ende machen. Die Geschworenen könnten nie wieder ihr Haupt auf ihre Kissen niederlegen, ja dürften nicht einmal den Gedanken aufkommen lassen, zu dulden, daß ihre Weiber, ihre Kinder oder ihre ganze Verwandtschaft ihr Haupt ruhig auf ihre Kissen niederlegten, bis der Kopf des Gefangenen gefallen sei. Er verlange diesen Kopf von ihnen, schloß der Staatsanwalt, im Namen alles nur Erdenklichen und kraft seiner feierlichen Versicherung, daß er den Angeklagten bereits für einen toten Mann ansehe.
    Nachdem der Staatsanwalt mit seinem Vortrag fertig war, erhob sich in dem Gerichtssaal ein Summen, als umschwärme eine Wolke großer Schmeißfliegen den Gefangenen im Vorgefühl, was er bald sein werde. Es legte sich wieder, und nun erschien der unanfechtbare Zeuge in der Zeugenloge.
    Der Herr Generalprokurator nahm sofort, an dem Faden seines Vorgängers weiterspinnend, den Patrioten, der sich John Barsad, Gentleman, nannte, ins Verhör. Die Geschichte seiner reinen Seele war ganz so, wie sie der Herr Staatsanwalt, wenn sie je einen Fehler hatte, nur zu genau vorgetragen. Nachdem er sein edles Herz erleichtert, wollte er sich bescheiden wieder zurückziehen, aber der Gentleman mit dem Aktenstoß vor sich, der in Mr. Lorrys Nähe saß, bat um die Erlaubnis, ein paar Fragen an ihn richten zu dürfen. Der Gentleman, der Mr. Lorry gegenübersaß, machte noch immer seine Studien an der Saaldecke.
    War er nicht selbst schon ein Spion gewesen? Nein, er wies eine so schnöde Verleumdung mit Verachtung zurück. Wovon lebte er? Von seinem Vermögen. Wo hatte er dieses Vermögen? Er konnte sich dessen nicht genau erinnern. Worin bestand es? Ging niemand etwas an. Hatte er es geerbt? Ja. Von wem? Von einem entfernten Verwandten. Sehr entfernt? Ziemlich. Noch nie im Gefängnis gewesen? Gewiß nicht. Auch nicht in Schuldhaft? Sah nicht ein, wie das hergehöre. Nie in Schuldhaft? Schon wieder diese Frage. Nie? Doch. Wie oft? Zwei- oder dreimal. Nicht fünf- oder sechsmal? Vielleicht. Von welchem Beruf? Gentleman. Nie Fußtritte gekriegt? Kann sein. Oft? Nein. Nie die Treppe hinuntergeworfen worden? Gewiß nicht; nur einmal am Anfang einer Treppe einen Stoß erhalten und dann aus freien Stücken hinuntergefallen. Bei jener Gelegenheit einen Fußstoß erhalten wegen Betrugs beim Würfelspielen? Etwas der Art wurde durch den betrunkenen Lügner ausgesprengt, der ihn angegriffen hatte, war aber nicht wahr. Konnte das beschworen werden? Zuverlässig. Nie von Betrug im Spiel gelebt? Nie. Nicht vom Spiel gelebt? Nicht mehr als andere Gentlemen auch. Nie von dem Gefangenen Geld geborgt? Doch. Ihm immer zurückgezahlt? Nein. War nicht die
vertraute Beziehung zu dem Gefangenen nur eine sehr entfernte und dem Gefangenen in Postkutschen, Gasthäusern und Paketschiffen aufgedrungen? Nein. Wahrscheinlich sah er die Listen bei dem Gefangenen? Gewiß. Wußte er sonst nichts von diesen Listen? Nein. Hatte er nicht etwa sie ihm selbst geliefert? Nein. Hoffte er durch sein Zeugnis etwas zu gewinnen? Nein. Nicht in regelmäßigem Sold und Dienst der Regierung, um Fallen zu legen? O Himmel, nein. Oder sonst etwas zu tun? O Himmel, nein. Konnte das beschworen werden? Zehn- für einmal. Keine anderen Beweggründe als Patriotismus? Durchaus keine.
    Der tugendhafte Bediente Roger Cly schwur sich mit großer Geschwindigkeit durch die ganze Verhandlung. Er war voll guten einfältigen Glaubens vor vier Jahren bei dem Gefangenen in Dienst getreten. Er hatte ihn an Bord des Calais-Paketschiffes gefragt, ob er nicht einen tüchtigen Burschen brauche, und der Gefangene hatte ihn angenommen. Von einer Bitte an den Gefangenen, er möchte an dem tüchtigen Burschen ein Werk der Barmherzigkeit üben, war keine Rede gewesen; an etwas der Art hatte er nie gedacht. Er begann bald nachher Argwohn zu schöpfen gegen den Gefangenen und hatte ein wachsames Auge auf ihn. Wenn er auf Reisen die Kleider des Gefangenen besorgte, bot sich ihm oft Gelegenheit, in dessen Taschen solche Listen zu

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