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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Uhr morgens, wenn mir das Hirn im Kopfe siedet und brät. Wenn du willst, daß ich raten soll, so mußt du mich zum Mittagessen einladen.«
    »Gut denn, so will ich dir's sagen«, entgegnete Stryver und richtete sich langsam empor, bis er aufrecht dasaß. »Sydney, ich verzweifle schier daran, mich dir verständlich zu machen, weil du ein gar so unempfindlicher Hund bist.«
    »Und du«, erwiderte Sydney, geschäftig den Punsch rührend, »bist ein so empfindsamer und poetischer Geist.«
    »Na«, sagte Stryver mit einem lärmenden Lachen, »ich hoffe, ich kenne mich zu gut, als daß ich Anspruch darauf erheben sollte, die Seele der Romantik zu sein; aber ein feinerer Kerl als du bin ich doch.«
    »Du willst damit sagen, daß du mehr Glück hast.«
    »Nein, das nicht. Ich meine, ich bin ein Mann von mehr … von mehr …«
    »Sag Galanterie, weil du eben daran bist«, half ihm Carton.
    »Gut, ich will sagen Galanterie. Damit meine ich«, fuhr Stryver fort, indem er sich gegen seinen mit dem Punsch beschäftigten Freund aufblähte, »ich bin ein Mann, der sich's mehr angelegen sein läßt, sich angenehm zu machen, der sich mehr Mühe gibt, den Angenehmen zu spielen, und der besser weiß als du, wie man in Damengesellschaft sich benehmen muß, um angenehm zu erscheinen.«
    »Weiter«, sagte Sydney Carton.
    »Nein, ehe ich fortfahre, muß ich dir meine Herzensmeinung sagen«, entgegnete Stryver, in seiner polternden Weise
den Kopf schüttelnd. »Du bist so oft wie ich – vielleicht öfter als ich in Doktor Manettes Hause gewesen. Wahrhaftig, ich habe mich dort geschämt über dein mürrisches Wesen. Du bist dort immer so still und so verdrossen gewesen, daß ich, auf Leben und Seele, mich für dich schämen mußte.«
    »Es käme einem Advokaten von deiner Praxis wohl zustatten, wenn er sich über etwas schämen lernte«, entgegnete Sydney; »du bist mir daher zu Dank verpflichtet.«
    »Nein, so kommst du mir nicht los«, erwiderte ihm Stryver mit äußerster Heftigkeit. »Es ist meine Pflicht, dir zu sagen, Sydney – und ich sage dir's ins Gesicht zu deinem Besten –, daß du ein verteufelt unmanierlicher Bursche bist in derartiger Gesellschaft. Du bist ein unangenehmer Kerl.«
    Sydney trank ein Glas von dem Punsch, den er gemacht hatte, und lachte.
    »Sieh mich an!« sagte Stryver, sich aufblasend. »Ich habe es weniger nötig als du, mich angenehm zu machen, weil ich in unabhängigeren Verhältnissen stehe. Warum tu ich's gleichwohl?«
    »Ich habe bis jetzt nie etwas davon bemerkt«, brummte Carton.
    »Ich tu es, weil es politisch ist. Ich tue es aus Grundsatz. Und sieh mich an: ich bring es vorwärts.«
    »Aber in deinen Mitteilungen über deine Ehestandsgelüste kommst du nicht vorwärts«, versetzte Carton mit unbekümmerter Miene; »ich wünschte, du hieltest dich an diesen Punkt. Was mich betrifft – wirst du denn nie begreifen, daß ich unverbesserlich bin?«
    Er sagte das mit deutlicher Verachtung.
    »Und was hast du von deiner Unverbesserlichkeit?« lautete die in nicht sehr besänftigendem Ton gegebene Erwiderung seines Freundes.
    »Was ich davon habe? Nichts – wie überhaupt von meinem Dasein«, sagte Carton. »Nun, wer ist das Frauenzimmer?«
    »Die Nennung des Namens darf dich nicht ungemütlich machen, Sydney«, entgegnete Mr. Stryver, der ihn mit betonter Freundlichkeit auf die Enthüllung, die ihm auf der Zunge schwebte, vorbereiten wollte, »weil ich weiß, daß deine Reden nicht immer ernst gemeint sind, und wenn es auch der Fall wäre, so läge nichts daran. Ich schicke diese kleine Einleitung voraus, weil du einmal von der jungen Dame geringschätzig gesprochen hast.«
    »Ich?«
    »Ja, und zwar hier in diesem Zimmer.«
    Sydney Carton sah zuerst den Punsch und dann seinen artigen Freund an; dann trank er den Punsch und betrachtete den artigen Freund aufs neue.
    »Du hast die junge Dame eine goldhaarige Puppe genannt. Die junge Dame ist Miß Manette. Wenn du ein Mensch wärest, dem man in solchen Dingen nur ein bißchen Empfindung oder Zartgefühl zutrauen dürfte, Sydney, so könnte ich mich durch jene Äußerung beleidigt fühlen; aber du bist nicht zurechnungsfähig. Es fehlt dir dafür ganz und gar der Sinn, und wenn ich an jenen Ausdruck zurückdenke, so kann ich mich darüber ebensowenig ärgern, wie wenn einer ein Gemälde von mir tadelte, der nichts von Gemälden versteht, oder wenn einer an einem Musikstück von mir etwas aussetzte, dem es an musikalischem Gehör gebricht.«
    Sydney

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