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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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auf den Weg, als dort eben die großen Ferien begonnen hatten. Jedermann, der ihn schon auf der Dunstan-Seite von Temple-Bar sah mit seinen nach Soho hinübergreifenden Projekten, mußte sich wundern über seine Sicherheit und Stärke, denn je mehr die Knospen seiner Entwürfe aufblühten, um so rücksichtsloser stieß er auf dem langen Wege alle schwächeren Leute beiseite.
    Sein Weg führte ihn an Tellsons vorbei. Er hatte hier nicht nur ein Bankguthaben, sondern wußte auch, daß Mr. Lorry ein intimer Freund der Familie Manette war. Mr. Stryver nahm das zum Anlaß, in das Haus zu treten und Mr. Lorry zu eröffnen, welcher glänzende Horizont sich über Soho auftun solle. Er drückte die knarrende Tür auf, stolperte die zwei Treppen hinab, kam an den zwei alten Kassierern vorbei und drang in das modrige Hinterstübchen ein, wo Mr. Lorry vor großen
Büchern mit Linien für die Zahlen saß. Das Fenster hatte eiserne Gitter, als habe man es gleichfalls für Zahlen liniiert und als sei alles auf dieser Erde nur eine Summe.
    »Holla!« rief Mr. Stryver. »Wie geht's Euch? Ich hoffe, Ihr seid wohl!«
    Stryver hatte die großartige Eigentümlichkeit, daß er für jeden Platz oder Raum zu groß zu sein schien. Er war für Tellsons so viel zu groß, daß die alten Kontoristen in den fernen Ecken mit protestierenden Mienen aufschauten, als würden sie von ihm an die Wand gedrückt. ›Das Haus‹ selbst, das ganz im Hintergrunde gravitätisch die Zeitung las, runzelte die Stirn, als wäre Stryvers Kopf in seine verantwortliche Weste gefahren.
    Der höfliche Mr. Lorry versetzte in einem verhaltenen Ton, wie er ihn unter solchen Umständen für angemessen fand:
    »Wie befindet Ihr Euch, Mr. Stryver? Wie geht es Euch, Sir?«
    Und sie drückten sich die Hände. Es lag in der Art des Händedrucks bei Tellsons etwas Eigentümliches, das sich an jedem Angestellten einem Kunden gegenüber bemerkbar machte, als wenn ›das Haus‹ die Luft beherrsche. Mr. Lorry vollzog seinen Händedruck in einer selbstverleugnenden Weise, wie ein Mann, der ihn für Tellson & Co. abgibt.
    »Kann ich etwas für Euch tun, Mr. Stryver?« fragte Mr. Lorry im Geschäftston.
    »Nein, ich danke Euch. Mein Besuch ist privat und gilt Euch, Mr. Lorry. Ich bin gekommen, um ein paar Worte mit Euch zu sprechen.«
    »Ah, in der Tat!« sagte Mr. Lorry, sein Ohr senkend, während sein Blick nach dem ›Haus‹ hinüberschweifte.
    »Ich bin im Begriff«, fuhr Mr. Stryver fort, indem er vertraulich seine Arme auf das Pult stützte (es schien nur zur Hälfte
Raum für ihn zu haben, obschon es ein großes Doppelpult war), »ich bin im Begriff, Eurer angenehmen kleinen Freundin, Miß Manette, einen Heiratsantrag zu machen, Mr. Lorry.«
    »Ach herrje!« rief Mr. Lorry, rieb sich das Kinn und sah seinen Besuch zweifelnd an.
    »Ach herrje, Sir?« wiederholte Stryver, zurücktretend. »Warum ach herrje? Wie soll ich Eure Meinung verstehen, Mr. Lorry?«
    »Meine Meinung?« antwortete der Geschäftsmann. »Sie ist natürlich nur freundschaftlich und anerkennend – es macht Euch alle Ehre und … kurz, meine Meinung ist ganz, wie Ihr sie nur wünschen könnt. Aber … in der Tat, Ihr wißt, Mr. Stryver …«
    Mr. Lorry hielt inne und schüttelte in ganz eigentümlicher Weise den Kopf, als müsse er gegen seinen Willen innerlich beifügen: ›Ihr wißt, es spricht so allerlei gegen Euch.‹
    »Na«, sagte Stryver, indem er mit seiner streitsüchtigen Hand auf das Pult schlug, die Augen weiter aufsperrte und tief Atem holte, »wenn ich Euch verstehe, Mr. Lorry, so will ich mich hängen lassen.«
    Mr. Lorry zupfte über den Ohren an seiner Perücke, als könne er dadurch das Verständnis erleichtern, und nagte dann an der Fahne seiner Feder.
    »Zum Teufel, Sir«, sagte Stryver, ihn mit großen Augen ansehend, »bin ich nicht eine annehmbare Partie?«
    »O du meine Güte, ja! O ja, Ihr seid annehmbar«, versetzte Mr. Lorry. »Wenn Ihr sagt ›annehmbar‹, so seid Ihr annehmbar.«
    »Lebe ich nicht in guten Verhältnissen?«
    »Oh, wenn Ihr das meint, ja, Ihr lebt in guten Verhältnissen«, sagte Mr. Lorry.
    »Und kann ich's nicht immer weiter bringen?«
    »Was dies betrifft«, entgegnete Mr. Lorry, erfreut, ein weiteres Zugeständnis machen zu können, »Ihr wißt, daß das niemand in Zweifel zieht.«
    »Nun denn, was in aller Welt wolltet Ihr mit Eurem Herrje sagen, Mr. Lorry?« fragte Stryver in merklicher Verblüfftheit.
    »Ich – ich … Seid Ihr im Begriff, eben jetzt zu

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