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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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müssen. Von einem uneigennützigen Standpunkt aus tut es mir leid, daß die Sache zerfiel, weil sie für andere in materieller Beziehung ein großes Glück gewesen wäre; wenn ich sie aber in Beziehung auf mein Ich betrachte, so kann ich mich nur freuen, daß nichts daraus wurde, da ich in pekuniärer Hinsicht sehr schlecht dabei gefahren wäre; es ist kaum nötig, zu sagen, daß ich damit nichts gewinnen konnte. Doch es hat nichts geschadet. Ich habe dem jungen Frauenzimmer keinen Antrag gemacht, und, unter uns, nach weiterer Erwägung glaube ich kaum, daß ich mich je so weit eingelassen hätte. Mr. Lorry, niemand vermag den zimperlichen Schwindel leerer Mädchenköpfe zu durchschauen; wer es versucht, der wird enttäuscht. Doch ich bitte, nichts weiter davon! Ich sage Euch, um anderer willen tut es mir leid, aber für mich selbst bin ich froh darüber. Und ich bin Euch in der Tat sehr verbunden für Eure freundliche Auskunft und für Euren guten Rat. Ihr kennt das junge Frauenzimmer besser als ich; Ihr hattet recht – es wäre nichts gewesen.«
    Mr. Lorry war so überrascht, daß er Mr. Stryver recht dumm ansah, während dieser, als er ihn zur Tür hinauskomplimentierte, einen wahren Regen von Großmut, Nachsicht und Wohlwollen auf sein verwirrtes Haupt niederschauern ließ.
    »Nehmt's von der besten Seite, mein lieber Herr«, sagte Mr. Stryver. »Sprecht nicht mehr davon, und ich danke Euch noch mal, daß Ihr mir gestattet habt, Euch zu befragen. Gute Nacht!«
    Mr. Lorry stand in der Nacht draußen, ohne zu wissen, wie es zugegangen war. Mr. Stryver lag rücklings auf seinem Sofa und blinzelte zur Decke hinauf.
    Dreizehntes Kapitel
    Der Mann ohne Zartgefühl
    Wenn Sydney Carton je irgendwo glänzte, so glänzte er gewiß nie in dem Hause des Doktors Manette. Er war im Laufe eines vollen Jahres oft dort gewesen und hatte sich stets nur als derselbe verdrossene, mürrische Bursche erwiesen. Wenn es ihm ums Reden zu tun war, so sprach er gut; aber das Licht seines Innern drang nur selten durch die Wolke der Gleichgültigkeit, die immer über ihm lag.
    Und doch kümmerte er sich sogar um die Straßen, die jenes Haus umgaben, und um die stummen Steine ihres Pflasters. Manche Nacht war er unstet und unglücklich hier auf und ab gewandelt, wenn der Wein ihn nicht abgelenkt hatte; an manchem traurigen Frühmorgen sah man seine einsame Gestalt dort lungern und lungern, wenn die ersten Strahlen der Sonne die Schönheit der fernen Kirchtürme und Prachtbauten hervorhoben, wie vielleicht der stille Morgen ein Gefühl
für bessere Dinge, die sonst vergessen und unerreichbar waren, in seinem Geiste wachrief. In letzter Zeit hatte das vernachlässigte Bett im Temple Court ihn seltener als je gesehen, und oft war er, nachdem er sich nur für ein paar Minuten darauf hingeworfen, wieder aufgestanden, um in jenem stillen Winkel zu spuken.
    An einem Tage im August – Mr. Stryver hatte, nachdem er seinen Schakal unterrichtet, daß er sich in der Heiratsangelegenheit eines Besseren besonnen habe, sein Zartgefühl nach Devonshire geführt, und der Anblick und der Wohlgeruch der Blumen in den Citystraßen boten einiges Gute selbst dem Schlimmsten, einige Gesundheit auch dem Kranken und ein bißchen Jugend selbst dem Ältesten – betraten Sydneys Füße wieder dasselbe Pflaster. Sie irrten anfangs unschlüssig umher, bis sie allmählich von einem Gedanken belebt wurden, und dieser Gedanke trug sie zur Tür des Doktors hin.
    Man wies ihn die Treppe hinauf, und er fand Lucie bei ihrer Arbeit allein. Es war ihr in seiner Nähe nie recht behaglich gewesen, und sie empfing ihn mit einiger Verlegenheit, als er an ihrem Tische Platz nahm. Wie sie jedoch bei dem Austausch der gewöhnlichen ersten Redensarten ihm ins Gesicht sah, bemerkte sie eine Veränderung darin.
    »Ich fürchte, Ihr seid nicht wohl, Mr. Carton.«
    »Nein. Aber das Leben, das ich führe, Miß Manette, ist der Gesundheit nicht eben förderlich. Wie kann das bei so einem Wüstling anders sein?«
    »Ist es nicht – verzeiht mir, aber die Frage liegt mir schon auf den Lippen –, ist es nicht schade, daß Ihr nicht einen besseren Lebenswandel führt?«
    »Gott weiß, es ist eine Schmach.«
    »Warum werdet Ihr nicht anders?«
    Als sie teilnehmend nach ihm hinsah, wurde sie durch den
Anblick von Tränen in seinem Auge peinlich überrascht. Auch in seiner Stimme waren Tränen, während er antwortete:
    »Es ist zu spät. Von einem Besserwerden ist keine Rede mehr. Aber

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