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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Geschäftsmann imstande bin, mir ein bißchen Bier kommen zu lassen, so schwatze mir nicht von Wasser. Wer in Rom ist, muß tun, was man in Rom tut. Und tust du's nicht, so wird dir Rom sauber über den Kopf fahren. Ich bin dein Rom, das weißt du.« – Und dann begann er wieder zu brummen: »Kommst mir da immer mit deinem eigenen Essen und Trinken! Ich möchte nur wissen, wie du hier zu Essen und Trinken kommen wolltest mit deinem heulerischen Wesen und deinem herzlosen Benehmen. Schau deinen Buben an – gehört er nicht dir? Er ist so dünn wie ein Span. Du willst dich eine Mutter nennen und weißt nicht einmal, daß es die erste Pflicht einer Mutter ist, ihr Kind heranzufüttern.«
    Dies berührte bei dem jungen Jerry eine zarte Saite. Er beschwor seine Mutter, ihre erste Pflicht zu erfüllen und, was sie auch sonst darüber vernachlässigen mochte, besonders die Erfüllung der mütterlichen Fürsorge sich angelegen sein zu lassen, auf die der andere Elternteil so liebevoll und fein hingedeutet hatte.
    So verging der Abend in der Familie Cruncher, bis endlich der junge Jerry die Weisung erhielt, zu Bett zu gehen. An seine Mutter wurde der gleiche Befehl erlassen, dem sie demütig gehorchte. Mr. Cruncher kürzte sich die ersten Stunden der Nacht durch einsame Pfeifen und trat seinen Ausflug erst gegen ein Uhr an. Um diese gespenstische Stunde erhob er sich von seinem Stuhle, zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete einen Schrein und holte einen Sack, ein Brecheisen von anständiger Größe, ein Seil, eine Kette und anderes derartiges ›Fischgerät‹ heraus. Nachdem er diese Gegenstände geschickt an seinem Körper untergebracht hatte, warf er Mrs. Cruncher einen trotzigen Abschiedsblick zu und ging aus.
    Der junge Jerry, der nur getan hatte, als kleide er sich aus, war im Nu wieder aus seinem Bett und hinter seinem Vater her. Im Schutze der Dunkelheit folgte er ihm zur Stube hinaus, die Treppe hinunter, in den Hof und auf die Straße. Wegen des Wiedernachhausekommens war ihm nicht bange, denn die Tür stand um der vielen Mietleute willen die ganze Nacht durch offen.
    Von dem löblichen Ehrgeiz getrieben, die Kunst und das Geheimnis von seines Vaters ehrlichem Gewerbe zu studieren, ließ der junge Jerry, der sich so nahe, wie seine Augen beeinander standen, an die Häuser und Mauern hielt, seinen geehrten Erzeuger nicht aus dem Auge. Der geehrte Erzeuger steuerte nordwärts und war noch nicht weit gegangen, als sich ihm ein anderer Nachtgeselle anschloß, mit dem er gemeinschaftlich weitertrabte.
    Nach einer halbstündigen Wanderung waren sie außer dem Bereiche neugieriger Lampen und der noch neugierigeren Nachtwächter draußen auf einsamer Landstraße. Hier wurde noch ein dritter Fischer aufgelesen, und zwar so in aller Stille, daß der junge Jerry, wenn er abergläubisch gewesen wäre, wohl hätte auf den Gedanken kommen können, daß der zweite Genosse der edlen Kunst sich plötzlich verdoppelt habe.
    Die drei gingen weiter, und der junge Jerry folgte ihnen, bis sie unter einer Wegböschung haltmachten, auf der ein niedriges Backsteingemäuer mit einem eisernen Geländer zu erkennen war. In dem Schatten der Böschung und des Gemäuers stahlen sie sich von der Straße weg, eine Sackgasse hinauf, die durch die hier acht oder zehn Fuß hohe Mauer begrenzt wurde. Der junge Jerry kauerte sich in einer Ecke nieder und schaute die Gasse hinauf. Der erste Gegenstand, dessen er ansichtig wurde, war sein geehrter Erzeuger, dessen Umrisse scharf gegen einen wässerigen, umwölkten Mond abstachen, wie er
hurtig ein eisernes Gittertor hinankletterte. Er war bald hinüber; darauf folgte der zweite und dann der dritte. Sie alle landeten sanft auf dem Boden innerhalb des Gitters und blieben eine Weile liegen, vielleicht um zu horchen. Dann krochen sie auf Händen und Füßen weiter.
    Jetzt war an dem jungen Jerry die Reihe, sich dem Gitter zu nähern, und er tat es mit verhaltenem Atem. Er duckte sich dort wieder in eine Ecke, sah hinein und bemerkte, daß die drei Fischer in dem hohen Grase weiterkrochen. Und alle Grabsteine – es war ein großer Kirchhof – schienen wie weiße Gespenster zuzuschauen, und der Kirchturm selbst sah darein wie der Geist eines ungeheuren Riesen. Sie krochen nicht weit, sondern machten bald halt und richteten sich auf. Dann begannen sie zu fischen.
    Anfangs fischten sie mit einem Spaten. Dann gewann es den Anschein, als setzte der geehrte Erzeuger ein Instrument von der Gestalt eines

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