Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
großen Korkenziehers an. Welcher Art jedoch die Werkzeuge sein mochten, die Leute arbeiteten mit allem Eifer, bis der schauerliche Schlag der Kirchenuhr den jungen Jerry so erschreckte, daß er mit Haaren, so steif wie die seines Vaters, von dannen floh.
    Aber der lang gehegte Wunsch, von diesen Dingen mehr zu erfahren, hielt ihn nicht nur in seinem Laufe an, sondern lockte ihn sogar wieder zurück. Sie fischten noch beharrlich fort, als er zum zweiten Mal zum Gitter hineinsah, schienen aber jetzt etwas an der Angel zu haben. Es ging an ein Schrauben; von unten ließ sich ein ächzender Ton vernehmen, und die schattenhaften Gestalten strengten sich an, als höben sie eine schwere Last. Allmählich brachten sie die Last aus der Erde heraus. Der junge Jerry wußte recht gut, was jetzt kommen mußte; aber als er es wirklich sah und dabei bemerkte, wie sein Vater sich anschickte, es mit dem Stemmeisen aufzubrechen,
wandelte ihn bei dem Anblick eine solche Angst an, daß er wieder Reißaus nahm und nicht eher haltmachte, bis er eine schöne Strecke Weges hinter sich hatte.
    Er würde auch dann noch nicht gehalten haben, wenn ihm nicht der Atem ausgegangen wäre; denn sein Rennen war eine Art Wettlauf mit Gespenstern, denen er schnell entkommen wollte. Es war ihm, als habe er gesehen, wie der Sarg ihm nachkam; er stellte sich vor, der Sarg springe hinter ihm her, ganz aufrecht auf seinem schmälern Ende sich bewegend und stets im Begriff, ihn einzuholen und an seiner Seite weiterzuspringen, vielleicht gar ihn am Arme zu nehmen – kurz, es war ein fürchterlicher Verfolger. Dazu noch ein unberechenbarer, überall gegenwärtiger Dämon; denn da der Spuk die ganze Nacht hinter ihm mit Schrecken erfüllte, so stürzte er auf die Straße hinaus, um die dunklen Alleen zu vermeiden, aus Furcht, das Gespenst möchte wie ein Papierdrache ohne Schwanz und Flügel hinter den Bäumen hervor auf ihn zukommen. Auch in den Torwegen versteckte es sich, rieb seine schrecklichen Schultern an den Türpfosten und zog sie, als lachte es, bis an die Ohren hinauf. Es versteckte sich im Schatten der Straße und blieb tückisch auf dem Rücken liegen, um ihm ein Bein zu stellen. Und diese ganze Zeit über hüpfte es ohne Unterlaß hart hinter ihm drein, so daß Jerry junior, als er endlich zu Hause anlangte, halbtot zu sein meinte. Ja, selbst da wollte es noch nicht von ihm ablassen, sondern es folgte ihm mit einem Gepolter auf jeder Stufe die Treppe hinauf, stieg mit ihm ins Bett hinein und fiel ihm schwer und tot auf die Brust, bis er endlich einschlief.
    Aus diesem angstvollen Schlummer wurde der junge Jerry in seinem Alkoven nach Tagesanbruch und vor Sonnenaufgang durch die Anwesenheit seines Vaters in dem Familienzimmer geweckt. Diesem mußte etwas nicht nach Wunsch gegangen
sein; so schloß wenigstens der junge Jerry aus dem Umstand, daß der Alte Mrs. Cruncher an den Ohren hatte und ihr den Schädel gegen das Kopfbrett ihrer Bettlade schlug.
    »Ich hab dir's gesagt, daß ich's tun würde«, sagte Mr. Cruncher; »und jetzt hast du's.«
    »Jerry, Jerry, Jerry!« rief sein Weib flehentlich.
    »Du widersetzt dich dem Gewinn des Geschäfts«, sagte Jerry, »und darunter haben ich und meine Kameraden zu leiden. Du sollst mich ehren und mir gehorchen – warum, zum Teufel, tust du's nicht?«
    »Ich gebe mir ja alle Mühe, eine gute Frau zu sein«, versicherte die Arme unter Tränen.
    »Ist man eine gute Frau, wenn man sich dem Geschäft des Mannes widersetzt? Heißt es den Mann ehren, wenn man sein Gewerbe verachtet? Heißt es dem Manne gehorchen, wenn man ihm den Gehorsam weigert in der Lebensfrage seines Geschäftes?«
    »Du hast also wieder zu dem schrecklichen Gewerbe gegriffen, Jerry?«
    »Für dich ist es genug«, versetzte Mr. Cruncher, »das Weib eines ehrlichen Geschäftsmannes zu sein; du hast nicht nötig, deinen Weiberkopf mit Berechnungen anzustrengen, wann er einem Berufe nachgeht oder nicht. Ein Weib, das ihren Mann ehrt und ihm gehorcht, läßt ihn gewähren. Du willst eine fromme Frau sein? Wenn die frommen so sind, so will ich lieber eine gottlose. Du hast so wenig ein natürliches Gefühl für deine Pflicht, wie es das Bett der Themse für einen Pfahl hat, und die Pflicht muß deshalb gleichermaßen in dich hineingeschlagen werden.« Der Streit wurde mit gedämpfter Stimme geführt und endigte damit, daß der ehrliche Geschäftsmann die kotigen Stiefel vom Fuß schleuderte und sich der Länge nach auf den Boden legte. Nachdem

Weitere Kostenlose Bücher