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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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enormen Eindruck gemacht haben muss. Der britische Künstler Antony Gormley, von dem die Skulptur «Engel des Nordens» stammt, stellt derartige Monumentalfiguren in einen Kontext:
    «Für mich als Bildhauer ist eine wesentliche Voraussetzung für die dauerhafte Qualität einer Skulptur, dass das Material als Mittel akzeptiert wird, um das Verhältnis zwischen der biologischen Zeit des Menschenlebens und den Äonen geologischer Zeit sichtbar zu machen. Skulpturen bleiben bestehen, überdauern,während das Leben abstirbt. Und so gut wie jede ägyptische Skulptur tritt in gewisser Hinsicht in diesen Dialog mit dem Tod, mit dem, was auf der anderen Seite liegt.
    Das Außergewöhnliche an ägyptischer Architektur und Bildhauerkunst ist zudem, dass sie etwas demütig Machendes an sich haben, eine Feier dessen sind, was ein Volk gemeinsam schaffen kann, denn an ihnen waren unzählige Menschen beteiligt; Architektur und Bildhauerei feierten sozusagen kollektiv das, was die Menschen zu leisten imstande waren.»
    Das ist ein wichtiger Aspekt. Diese gelassen lächelnde Skulptur ist nicht Schöpfung eines einzelnen Künstlers, sondern Leistung einer ganzen Gesellschaft: Ergebnis eines ungeheuren und ungeheuer komplexen technischen und logistischen Prozesses – der in vielerlei Hinsicht eher an den Bau einer Autobahn als an die Schaffung eines Kunstwerks erinnert.
    Der Granit für die Skulptur stammt aus Assuan, rund 150 Kilometer nilaufwärts Richtung Süden gelegen, und wurde in einem einzigen riesigen Block herausgebrochen – die gesamte Statue dürfte ursprünglich gut zwanzig Tonnen gewogen haben. Der Granitblock wurde zunächst grob behauen, bevor unzählige Arbeiter ihn auf Holzschlitten vom Steinbruch zu einem Floß zogen, das dann nilabwärts Richtung Luxor fuhr. Dort wurde der Stein vom Fluss ins Ramesseum gehievt, wo die Feinarbeiten begannen. Es bedurfte einer Unmenge an Arbeitskräften und Organisation, um allein diese eine Statue aufzustellen, und die gesamte Arbeiterschaft musste unterwiesen, koordiniert und wenn schon nicht bezahlt – bei vielen dürfte es sich um Sklaven gehandelt haben –, so doch zumindest verpflegt und untergebracht werden. Um unsere Skulptur zu fertigen, war eine schreib- und rechenkundige, gut geölte Bürokratie unabdingbar – und die gleiche bürokratische Maschinerie verwaltete auch den internationalen Handel Ägyptens und war für Organisation und Ausrüstung der Truppen zuständig.
    Ramses verfügte ohne Zweifel über enorme Fähigkeiten und hatte echte Erfolge zu verzeichnen, doch wie alle Großmeister der Propaganda neigte er auf den Feldern, auf denen er nicht unbedingt brillierte, zur schonungslosen Schönfärberei. Er war kein außergewöhnlicher Feldherr, aber er stellte eine beachtliche Armee auf die Beine und stattete sie mit reichlich Waffen aus. Ungeachtet dessen, wie die Schlachten tatsächlich ausgingen, lautete die offizielleLinie unbeirrt: Ramses siegt. Das gesamte Ramesseum vermittelt im Grunde nur eine ein zige Botschaft, nämlich die des unerschütterlichen Erfolgs. Die Ägyptologin Karen Exell charakterisiert den Propagandisten Ramses so:
    «Er wusste nur zu gut, dass es für den Erfolg seiner Königsherrschaft von zentraler Bedeutung war, sichtbar zu sein. Also ließ er sehr schnell so viele Kolossalstatuen wie möglich errichten. Er baute den traditionellen ägyptischen Göttern Tempel, und diese Form von Aktivität wurde als bombastisch interpretiert – als Angeberei usw. –, dabei müssen wir das Ganze im Kontext dessen sehen, was für eine Königsherrschaft erforderlich war. Die Menschen brauchten einen starken Anführer, und unter einem solchen Anführer verstanden sie einen König, der zum Nutzen Ägyptens Feldzüge unternahm und im Innern des Landes überall sichtbar war. Betrachten wir beispielsweise die propagandistische ‹Tatsachenverdrehung› bei den Berichten über die Schlacht von Kadesch, die in Ramses’ fünftem Regierungsjahr stattfand und ohne Sieger endete. Er kehrte nach Ägypten zurück und ließ den Bericht über diese Schlacht in sieben Tempel einmeißeln; das Ganze wurde als großer Erfolg dargestellt, Ramses allein habe die Hethiter besiegt. Er war ein Meister darin, die Dinge so hinzubiegen, dass seine Herrschaft im hellsten Licht erstrahlte.»
    Dieser König sollte nicht nur sein eigenes Volk von seiner Größe überzeugen, sondern auch das Bild des imperialen Ägyptens auf der ganzen Welt bestimmen. Später waren die Europäer

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