Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Wehmut an sie. Noch immer fragten sie sich, was mit Elias geschehen war und ob er es wohl bis nach Palästina geschafft hatte.
Katerina verspürte für einen kurzen Augenblick den Anflug eines Schuldgefühls, weil sie die Papiere ihres Mannes natürlich nicht durchwühlen sollte, dennoch zog sie die Schublade auf und nahm den Ordner heraus. Eine Weile blieb sie unschlüssig am Schreibtisch sitzen und starrte ihn an. Es war noch nicht zu spät, den Ordner wieder zurückzulegen. Aber schlieÃlich konnte sie doch nicht widerstehen und schlug ihn auf.
Obenauf lag ein einzelnes Blatt mit Zahlenkolonnen wie bei einer Rechnung, dann folgte ein Dokument mit verschiedenen Stempeln der Stadtverwaltung von Thessaloniki und, auf dickem Pergament, die »Eigentumsurkunde« des Anwesens in der FilipposstraÃe. Soweit sie erkennen konnte, war das Geschäft für eine sehr geringe Summe an ihren Mann verkauft worden, für den Bruchteil des Preises, den man für das Haus in der IrinistraÃe bezahlen müsste. Das Geschäft war ihm praktisch geschenkt worden.
Es folgte eine Reihe von Briefen, die alle den Kauf betrafen und die sie mit wachsendem Entsetzen las.
Auf Anhieb erkannte sie die Unterschrift auf dem ersten Brief wieder. Es war derselbe Name wie bei der Widmung in dem Nietzsche-Band. Sie hatte während der Besatzungszeit, als die Offiziere regelmäÃig ins Atelier kamen, ein paar deutsche Wörter aufgeschnappt. »Guten Tag«, »bitte« und »danke schön« , und dies stand auch am Ende des Briefs: »Danke schön«.
Als Nächstes folgten ein paar Durchschläge von Schreiben, die ihr Mann an das »Amt für den Verkauf von jüdischem Eigentum« gerichtet hatte, und dessen Antworten darauf. Sie ordnete alles nach Datum und begann aufgeregt zu lesen.
Der erste Brief von Gourgouris stammte vom 21 . Februar 1943 und war aus Larissa abgeschickt worden. Katerina rechnete nach, dass das Datum vor dem Weggang der Morenos lag. In dem Brief äuÃerte ihr Mann die Absicht, »die einträgliche und gut gehende Firma Moreno & Söhne« übernehmen zu wollen. Er beschrieb seine bereits gut eingeführten Betriebe in Veria und Larissa und seinen Wunsch, sich in Thessaloniki zu vergröÃern. In einem Antwortschreiben auf die Anfrage wurde um Nachweis seiner Unterstützung für die Regierung gebeten. Mehrere Briefe folgten, bei deren Lektüre Katerina immer übler wurde. Es wurden mehrfach Geldgeschenke an die Regierung erwähnt, aber im letzten Brief, der im Juli 1943 geschrieben worden war, gab es eine Namensliste. Fassungslos murmelte sie die Namen laut vor sich hin.
» Metheos Keropoulos , Widerstandskämpfer
Giannis Alahouzos , Widerstandskämpfer
Anastasios Makrakis, Widerstandskämpfer
Gabriel Perez , unter falschem Namen untergetaucht
Daniel Perez , unter falschem Namen untergetaucht
Jakob Soustiel , bei einer christlichen Familie untergetaucht und im Besitz falscher Papiere
Salomon Mizrahi , bei einer christlichen Familie
untergetaucht und im Besitz falscher Papiere.«
Es war klar, dass alle diese Männer aufgrund von Gourgourisâ Hinweisen verhaftet worden waren. Die ersten drei waren vielleicht nur ins Gefängnis gekommen, aber die anderen, daran bestand für Katerina kein Zweifel, waren nach Polen deportiert oder gleich ermordet worden.
Jetzt wusste sie Bescheid. Der deutsche Offizier war ihrem Mann wegen dieser Denunziationen und seiner Bereitschaft zur Kollaboration zu Dank verpflichtet gewesen.
Sie klappte die Akte zu und blieb noch minutenlang, den Kopf in die Hände gestützt und wie gelähmt vor Schock, am Schreibtisch sitzen. Sie konnte nicht preisgeben, was sie gefunden hatte, aber wie sollte sie mit diesem Wissen weiterleben? Wie sollte sie mit diesem Mann weiterleben?
SchlieÃlich legte sie den Ordner in die Schublade zurück, stand auf und ging hinaus. Der schreckliche Fehler, den sie gemacht hatte, lastete wie ein Mühlstein auf ihr. Niemand hatte sie gezwungen, Grigoris Gourgouris zu heiraten, also müsste sie die Folgen ihrer Dummheit selbst tragen. Die Schuld lieà sich keinem anderen zuschieben.
Sie ging in die Küche, schloss alle Fenster und Läden und knipste die schwache Tischlampe an. Während sie mecha nisch das Abendessen vorzubereiten begann, liefen ihr Tränen der Hilflosigkeit und Wut übers Gesicht, sodass sie kaum sah, was ihre Hände
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