Eine Geschichte von Liebe und Feuer
machte sich bereits daran, sein Geschäft um ein drittes Gebäude zu erweitern. Obwohl sich viele Unternehmen nach dem Brand nicht mehr erholt hatten, nutzte Konstantinos die Zerstörung der von seinem Vater errichte ten Gebäude, um jetzt nach eigenen Vorstellungen etwas noch GröÃeres und Eindrucksvolleres zu bauen. Er hatte die Versicherungsgesellschaft verklagt, die behauptete, nicht zahlen zu können, und den Prozess gewonnen, daher besaà er die Mittel, um wie ein Phönix aus der Asche wiederaufzuerstehen. Zudem hatten ihm der verlängerte Einsatz der Armee und der anhaltende Konflikt in der Türkei zu einmaligen Geschäftsmöglichkeiten verholfen.
Der Krieg hatte gegeben, aber auch genommen.
Ende Oktober erhielt er die Nachricht, dass sein Bruder vermisst sei. Leonidas hatte beim Rückzug seines Regiments die AuÃenbezirke von Smyrna erreicht, aber danach hatte man nichts mehr von ihm gehört. Nach Aussage einiger Ãberlebender war der gröÃte Teil der Soldaten von Leonidas Komninosâ Regiment gefallen oder massakriert worden.
Die Wiederherstellung der Lagergebäude und der geschäft liche Aufbau waren Komninos wichtiger als der Wiederaufbau des Privathauses. Er hatte zwar damit angefangen, widmete ihm aber weitaus weniger Zeit. Das ganze Haus musste komplett abgerissen werden, bevor es neu aufgebaut werden konnte. Von der ehemaligen Villa waren nur noch die Fundamente verwendbar.
Während Olga und der kleine Dimitri weiterhin in der IrinistraÃe lebten, wohnte Konstantinos im Hotel. Da er selten vor Mitternacht aus seinem Büro heimkam, konnte er seine Abwesenheit damit rechtfertigen, dass er keinem die Nachtruhe rauben wollte.
Olga liebte das Leben in der quirligen Altstadt und hatte keine Eile, mit ihrem glücklichen, zufriedenen Kind in eine andere Umgebung zu ziehen, aber die dramatischen Veränderungen, die sich aus der Umsiedlungsaktion ergaben, blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Stadt. Auch die IrinistraÃe wurde davon nicht verschont.
Die Ekrem-Familie würde bald wegziehen. Schon vor Wochen hatten sie angefangen, sich auf die Abreise vorzubereiten, sie packten ihre Sachen, verabschiedeten sich von ihren geliebten Freunden und machten den Nachbarn, die ihnen inzwischen ans Herz gewachsen waren, kleine Geschenke. Man hatte ihnen eine Entschädigung für das Haus und ein neues Heim in der Türkei versprochen, aber das wäre an einem ihnen vollkommen unbekannten Ort, und es drängte sie nichts, ihr gutes Leben in Thessaloniki aufzugeben.
Am Abend vor ihrer Abreise wurden die Ekrems von den Morenos zu einem Abschiedsessen eingeladen und brachten als Geschenk einen wertvollen Band mit Gedichten von Ibn Zamrak mit, dessen Werke in die Mauern der Alhambra eingemeiÃelt waren.
Die beiden Familien waren sich einig, dass sie vieles verband, nicht zuletzt die Vertreibung aus Spanien.
»⺠Granada! Für immer der Hort des Friedens und innigster Hoffnung. Allein die Anwesenheit dort ist zugleich Wunsch und Erfüllungâ¹Â«, übersetzte eine der Ekrem-Töchter.
»Man weià nie, was das Leben bringt«, sagte Kyria Ekrem.
»Als das geschrieben wurde, hat niemand die leiseste Ahnung gehabt, dass man alle Araber vertreiben würde«, sagte Saul ironisch.
An diesem Morgen war Olga früh aufgestanden, um ein letztes Mal Lebewohl zu sagen. Wenn Komninos auf dem Weg zum Friseur vorbeigekommen wäre, hätte es ihn entsetzt, wie gefühlvoll seine Frau auf die Abreise von ein paar Muslimen reagierte. Er hatte nie verstanden, warum sie so freundschaftlich mit den Ekrems umgegangen war.
Um sieben hatte er bereits seinen Friseurbesuch absolviert und sich rasieren lassen, und um halb acht hatte sein Schuhputzer das tägliche Trinkgeld erhalten. Um zehn vor acht saà er im Kafenion in der Nähe seiner neuen Büros am Hafen, und um acht trank er seinen zweiten Kaffee, nachdem er drei der Dutzende von Zeitungen überflogen hatte, die in der Stadt erschienen. Jetzt warf er einen Blick in den Wirtschafts teil und prüfte den Wert seiner Anlagen und Aktien.
Angebot und Nachfrage hingen bei Wolle von vielen Fak toren ab, die er nicht beeinflussen konnte, daher glich es einer Kunst, vorherzusehen, wann und wo man kaufen musste. Das Gleiche galt für andere Stoffe, bei denen er zudem erspüren musste, was in Zukunft in Mode sein könnte, und zwar nicht nur bei Kleidern, sondern auch bei
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