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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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Unmenge an Kranken, die sich, wie allgemein bekannt, noch auf dem Schiff befanden, kämpften die Wartenden mit geradezu panischer Ungeduld darum, so schnell wie möglich an Bord zu kommen. Eugenia führte gerade die Mädchen herunter, als sich jemand an ihnen vorbeidrängte und Katerina fast von der Gangway ins Wasser gestoßen hätte.
    Â»Entschuldigen Sie! Können Sie nicht noch einen Moment warten!«, rief Eugenia ärgerlich. Die Frau drehte sich um. Es war klar, dass sie den Zorn in Eugenias Stimme bemerkt hatte, aber ihre auf Türkisch gestammelte Antwort machte deutlich, dass sie die Bedeutung ihrer Worte nicht verstanden hatte.
    Als sie in die wogende Menge eintauchten, klammerte sich Katerina so fest an Eugenias Hand, dass ihre Finger fast taub wurden. Maria und Sofia klammerten sich aneinander und hielten sich am Rock ihrer Mutter fest, um sicherzugehen, dass sie nicht getrennt wurden. Alle vier erinnerten sich an Katerinas Schicksal und wollten nicht, dass es sich bei ihnen wiederholte.
    Das Quartett kämpfte sich durch die wogende Menschen masse hindurch und hielt erst an, um zu verschnaufen, als sie es geschafft hatten. Eugenia schleppte das Bündel mit ihren Habseligkeiten noch ein paar Meter weiter und befahl den Mädchen, sich darauf niederzulassen. Sie war überzeugt, dass irgendjemand auf sie zukommen und ihnen sagen würde, was sie als Nächstes tun sollten. Dies war schließlich eine organisierte Umsiedlungsaktion, und man hatte ihnen versprochen, dass für ihre Unterbringung gesorgt werden würde.
    Katerina und die Zwillinge gehorchten und beobachteten die Bewegung der Menschenströme. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den Ankommenden und den Abreisen den bestand darin, dass Letztere riesige Mengen an Gepäck mit sich schleppten: Kisten, Taschen, Koffer und Matratzen. Selbst kleine Kinder balancierten etwas auf dem Kopf und hielten zusätzlich noch andere Dinge in den Armen fest. Katerina blickte staunend auf die Massen weltlicher Güter. Schon lange besaß sie nur noch, was sie am Körper trug. Mit einer Hand strich sie abwesend über den bestickten Saum ihres Kleids, mit der anderen tastete sie nach dem abgerissenen Ärmel, der immer noch in ihrer Tasche steckte. Das war alles, was sie hatte.
    Ãœber all den Lärm hinweg vernahm Katerina einen Laut, der sie an etwas längst Vergangenes erinnerte: der Ruf des Muezzins. Es war so viele Monate her, dass sie ihn gehört hatte.
    Â»Ist das wirklich Thessaloniki?«, fragte sie Maria, die sie verständnislos ansah und mit den Achseln zuckte.
    Selbst inmitten dieses hektischen Durcheinanders rollten Männer ihre Teppiche aus und knieten nieder, um zu beten. Auf die Zeit schienen sie nicht zu achten, während sie sich immer wieder niederbeugten und erhoben und zum letzten Mal ihre Gebete auf griechischem Boden verrichteten.
    Zu ihrem Erstaunen sahen die Mädchen Tränen bei erwachsenen Männern. Sie blickten in die resignierten Mienen von Frauen und in die ausdruckslosen Gesichter von Kindern, die noch viel kleiner waren als sie selbst.
    Inzwischen war Eugenia zurückgekehrt und beobachtete das Spektakel ebenfalls. Während die Männer ihre Gebete beendeten, ging eine Gruppe von Leuten, die eindeutig Christen waren, auf eine Familie zu, um sie zu verabschieden. Der Abschied war tränenreich und die Umarmungen lange und innig.
    Â»Uns hat niemand so verabschiedet, nicht?«, fragte Sofia ihre Mutter, die ihr eine Antwort schuldig blieb.
    All diese Dinge begannen langsam zu verblassen im Gedächtnis der Kinder, aber Eugenia würde nie vergessen, dass es in ihrem Dorf keine derartige Zuneigung zwischen Christen und Muslimen gegeben hatte. Ihre überstürzte Flucht vor den türkischen Soldaten war grauenerregend gewesen. Sie mussten noch warten. Wie die meisten anderen in ihrer Umgebung fand sich Eugenia mit ihrem Schicksal ab. Bevor sich die Hafengegend nicht weiter geleert hätte, wäre es hoffnungslos, jemanden zu suchen, der für sie verantwortlich war.
    Ein Mann mit einem Karren kam vorbei, der Sesambrötchen verkaufte, aber sie hatte kein Geld. Der Hunger begann, an ihrer Geduld zu zehren. Warum kam ihnen niemand zu Hilfe? Warum brachte ihnen keiner Essen?
    Â»Tut mir leid, Mädchen«, sagte sie, unfähig, den eigenen Hunger und die Frustration zu verbergen. »Vielleicht hätten wir in Mytilini bleiben sollen.«
    Die

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