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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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natürlich!«, rief Sofia.
    Â»Du meinst wohl eher, wer?«, warf Dimitri ein.
    Â»Ja, natürlich«, erwiderte sie knapp, wie so oft ein wenig ärgerlich über die altklugen und pedantischen Einwände des kleineren Jungen.
    Selbstbewusst gingen sie nacheinander durch das Eisentor. Sie waren nicht allein in dieser Stadt der Toten. Einige Frauen, die ein Familiengrab pflegten, blickten auf und lächelten sie an. Wie fleißige Hausfrauen schrubbten und wienerten sie die Grabstätte, arrangierten die Blumen wie für den Küchentisch und kehrten Blätter zusammen, als fegten sie ihren Hinterhof. Es gab mehrere prächtige Grabstätten, wo Hinterbliebene lebensgroße Statuen ihrer verstorbenen Lieben errichtet hatten, die im Zwielicht aussahen, als würden sie zu neuem Leben erwachen.
    Katerina blickte auf die Nachrufe und Gedichte für die Toten und sah, dass mehrere Gräber frisch geschmückt waren. Sie sah Maria an.
    Â»Du glaubst doch nicht …?«
    Â»Nein«, erwiderte Maria entschieden. »Ich glaube nicht, dass deine Mutter hier ist.«
    Sofia setzte sich auf eine Marmorstufe am Ende einer der vielen Friedhofswege. Sie hatte eine Gruppe kleiner Kätzchen entdeckt, die hinter einem großen Stein am Eingang einer Familiengruft lebten, und eines davon lag schnurrend in ihrem Schoß. Die Mutter schien verschwunden zu sein. Dimitri und Elias standen in der Nähe und zielten mit Kieselsteinen auf einen Kreis, den sie in den Staub gezeichnet hatten.
    Â»Sollen wir eines mit nach Hause nehmen?«
    Â»Sei nicht albern, Sofia«, sagte Maria. »Wir haben genug Katzen in unserer Straße. Komm mit. Es ist Zeit zu gehen. Ich glaube nicht, dass es Katerina hier gefällt.«
    Sie waren erleichtert, Katerina als Ausrede zu haben. Keiner fühlte sich wohl in dem schnell schwindenden Licht und zwischen all den geisterhaften Schatten.
    Eugenia war im Büro der Flüchtlingsbehörde gewesen. Die elegante Amerikanerin, die sich vor ein paar Monaten so freundlich um sie gekümmert hatte, war immer noch da und half den Notleidenden mit Rat und Tat.
    Â»Wie geht’s den Mädchen?«, fragte sie.
    Â»Sie erinnern sich an uns?«
    Eugenia wollte es nicht glauben. Tausende von Flüchtlingen waren nach ihnen in Thessaloniki angekommen und die meisten davon durch dieses Büro geschleust worden.
    Â»Aber natürlich. An Sie, an die Zwillinge und die Kleine. Jede Familie bleibt mir aus dem einen oder anderen Grund im Gedächtnis. Selbst ohne Ihre Zwillinge würde ich mich an Sie erinnern. Die Jüngste ist nicht Ihre Tochter, nicht wahr?«
    Â»Ja, das stimmt«, antwortete Eugenia. »Deshalb bin ich auch hier. Wir haben ihre Mutter und ihre Schwester noch immer nicht gefunden. Wir müssen unbedingt etwas unternehmen.«
    Â»Sicher«, antwortete die Amerikanerin lächelnd. »Es gibt auch ein paar Listen. Aber am besten fangen Sie in den Lagern hier in der Nähe an.«
    Â»Aber sie ist nach Athen gefahren!«
    Â»Das nimmt die Kleine zwar an, aber ihr Schiff ist höchstwahrscheinlich nach Thessaloniki gekommen. Ich finde, es lohnt sich, zuerst in den Lagern in der Nähe zu suchen.«
    Es gab verschiedene Lager im Umkreis der Stadt, in denen über zweihunderttausend Flüchtlinge lebten, weil die verspro chenen neuen Unterkünfte noch immer nicht gebaut waren. Katerina müsste Eugenia begleiten, um ihre Mutter zu identifizieren, also nahmen sie am nächsten Tag den Bus, fuhren in die Außenbezirke der Stadt und begannen mit der Suche.
    Eine Stadt aus Blech ist ein merkwürdiger Anblick. Leere Zwanzig-Liter-Kanister waren flach geklopft worden und dienten als Wände, und ehemalige Transportkisten lieferten das Material für die Holzgerüste. Die Hütten waren nur ein Notbehelf, machten aber wegen der Blumen- und Kräutertöpfe am Eingang den Eindruck, als wären sie auf Dauer angelegt. Als sie den Kopf hineinsteckte, sah Eugenia sauber gefegte Lehmböden und die übliche Einrichtung eines klein asiatischen Haushalts mit gewebten Bettdecken und einem Heiligenbild an der Wand.
    Stunde um Stunde gingen sie die Reihen der Blechbaracken ab und stellten immer wieder die gleichen Fragen. Manchmal schien der Name jemandem etwas zu sagen. Ein alter Mann kratzte sich am Kopf, als seien irgendwo in seinem Schädel wichtige Informationen verborgen. Eine Frau verschränkte die Arme und wippte auf den

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