Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
Vom Netzwerk:
Fersen hin und her, als wollte sie jeden Moment mit etwas herausplatzen. Beide Male schöpfte Katerina Hoffnung, die gleich darauf wieder zunichtegemacht wurde, als sich herausstellte, dass keiner von beiden auch nur die leiseste Ahnung hatte. Alle andern schüttelten sofort den Kopf, zuckten die Achseln oder ignorierten die Fragen, weil sie selbst viel zu niedergeschlagen waren, um sich für die verlorenen Verwandten anderer Leute zu interessieren.
    Eugenias erste Frage war immer, ob jemand einen Flüchtling aus Smyrna kannte. Anfangs traf sie auf viele, die aus der Gegend am Schwarzen Meer stammten, und sie begegnete sogar ein paar Familien, die in Trabzon gewohnt hatten. Es gab Tränen und freudiges Wiedererkennen, und man tauschte Erinnerungen an das alte Leben in Kleinasien aus, Katerinas Familienname jedoch sagte keinem etwas.
    Nachdem sie einige Tage das Lager durchkämmt hatten, verschwendete Eugenia keinen Gedanken mehr darauf, ob ihr Leben in der Gemeinschaft von Flüchtlingen besser gewesen wäre. Ihr wurde klar, dass sie an dem Tag, als man sie in die Irinistraße brachte, unglaubliches Glück gehabt hatte. Mytilini war geradezu zivilisiert gewesen, verglichen mit dem Schmutz und Elend, die sie hier trotz aller Bemühungen der Bewohner in der Barackensiedlung gesehen hatte, und zufrieden kehrte sie in das Stadthaus zurück, wo sie die Tür hinter sich zumachen konnte.
    Doch wie es aussah, hatte Katerina wohl recht, und ihre Mutter und Schwester waren tatsächlich in Athen. Die Amerikanerin erklärte Eugenia, dass es auch dort Hunderttausende Flüchtlinge ohne feste Adresse gebe, aber sie würde sehen, was sie tun könne, um ihnen zu helfen. In der Zwischenzeit versicherte Eugenia Katerina, dass sie nicht aufgeben würden. In den folgenden Wochen fuhren sie zu einem anderen Lager, das etwas weiter entfernt lag.
    Maria und Sofia mangelte es nicht an Menschen, die sich in Abwesenheit ihrer Mutter um sie kümmerten. An manchen Tagen gingen sie zu Olga und Dimitri zum Essen, an anderen lud Roza Moreno sie zu sich ein, und sie bekamen jeweils ganz verschiedenartige Gerichte vorgesetzt. Saul Moreno kam gewöhnlich gegen fünf Uhr nachmittags von der Arbeit nach Hause, sie saßen dicht gedrängt um den Küchentisch, und die kleine Großmutter in ihrer Pelzjacke kaute schweigend in der Ecke. Es war ein lustiges Durcheinander, und das Essen schmeckte köstlich.
    Ein paar Tage lang wurden Eugenia und Katerina, wenn sie von ihrer fruchtlosen Suche erschöpft und ohne einen Bissen Nahrung im Haus zurückgekehrt waren, von den Morenos zum Essen eingeladen. Auch sie liebten die Atmosphäre im Haus der Nachbarn mit der Großmutter in ihrer traditionellen Tracht und ihrem fremdländischen Singsang.
    Saul Moreno hatte gern Zuhörerschaft und liebte es, immer wieder die Geschichten von der Ankunft der Juden aus Spanien zu erzählen. Eines Abends wurde er ganz besonders von der Sehnsucht nach einer Zeit gepackt, die er zwar selbst nicht erlebt hatte, aber von deren Erbe er zehrte. Er gestand Eugenia ein, dass das zwanzigste Jahrhundert bislang nicht ihre beste Zeit gewesen sei und dass sie vor 1912 , als die Stadt noch zum Osmanischen Reich gehörte, ein besseres Leben gehabt hätten. Die muslimischen Machthaber seien den Juden gegenüber toleranter gewesen als die orthodoxen Griechen, die den Sonntag zum offiziellen Ruhetag erklärt und die Bedeutung des Sabbats missachtet hätten.
    Die Kinder jedoch wurden unruhig, husteten, rutschten auf ihren Stühlen hin und her und langweilten sich bei seinen weitschweifigen Erzählungen.
    Â»Ich will nicht sagen, dass jetzt alles schlecht ist«, fuhr er fort und beugte sich zu Eugenia hinüber. »Aber es ist einfach nicht mehr so wie vor dem Brand. Und dann sind alle Muslime fortgegangen. Das war auch nicht gut. Diese ganzen Veränderungen haben uns zu einer Minderheit gemacht, und das hat natürlich zu einigen Problemen geführt.«
    Â»Jetzt komm, mein Lieber, mach dir nicht so viele Gedanken.« Roza Moreno tätschelte seinen Arm. »So schlecht ist es nun wirklich nicht. Du darfst die arme Eugenia nicht damit langweilen.«
    Elias unterdrückte ein Gähnen und wurde von seinem älteren Bruder in die Rippen gestoßen.
    Â»Er langweilt mich überhaupt nicht«, antwortete Eugenia. »Es ist tröstlich zu wissen, dass wir nicht die Ersten waren, die kein Dach über

Weitere Kostenlose Bücher