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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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Haar hing aufgelöst herunter, und ihre Augen waren vom Weinen geschwollen.
    Â»Nun, ich denke, der Junge sollte es erfahren«, sagte sein Vater, faltete das Blatt zusammen und steckte es in einen Umschlag zurück.
    Es folgte ein kurzes Schweigen. Dimitri blieb auf der untersten Stufe stehen, unsicher, ob er weiter in die unheilvolle Sphäre der Erwachsenen eindringen sollte. Am liebsten wäre er zu seiner Mutter gelaufen, fürchtete sich aber vor der Reaktion seines Vaters.
    Â»Dein Onkel Leonidas gilt seit einiger Zeit in der Türkei als vermisst, aber jetzt wurde seine Leiche gefunden.«
    Die traurige Tatsache wurde von Konstantinos ohne jeg liche Gefühlsregung verkündet. Dimitri hatte sehr starke und glückliche Erinnerungen an seinen Onkel, aber das war es nicht, was ihn am meisten erschütterte. Es war der Anblick seiner Mutter, die von der Nachricht offensichtlich so tief getroffen war, dass er es nie vergessen würde.
    Später am Nachmittag, nachdem sein Vater gegangen, das Haar seiner Mutter wieder in Ordnung gebracht und Kyria Eugenia zu Besuch gekommen war, ging Dimitri auf die Straße hinaus, wo er Katerina und die Zwillinge traf.
    Â»Wenn ihr das nächste Mal ans Meer runtergeht«, sagte er, »will ich mitkommen.«

11
    N ach viel Überredungskunst vonseiten Pavlinas erlaubte Olga ihrem Sohn schließlich, die Straßen zu erkunden, in denen sie selbst aufgewachsen war.
    Â»Auch wenn Sie zu große Angst haben, rauszugehen«, gab die Haushälterin zu bedenken, »gibt es keinen Grund, Ihren Sohn im Haus einzuschließen. Er muss doch seine eigenen Erfahrungen machen.«
    Nachdem Olga eingewilligt hatte, stellte sie nur noch eine Bedingung: Die Ausflüge müssten vor seinem Vater geheim gehalten werden.
    Es folgten unbeschwerte Zeiten für Dimitri. Gewöhnlich kamen außer den drei Mädchen auch noch Elias und Isaac mit. Es gab eine Menge anderer Kinder in der Straße, daher erregte die kleine Gruppe, die plaudernd und Verstecken spie lend herumzog, keine besondere Aufmerksamkeit. Dimitri hatte immer ein paar Münzen dabei, daher konnten sie sich als kleine Zwischenmahlzeit koulourákia , duftende runde Sesambrötchen, beim Straßenhändler kaufen, bevor es wieder nach Hause ging.
    Ein- oder zweimal kamen sie in die Nähe eines der Lagerhäuser von Komninos, schlugen aber sofort einen Umweg zum Meer hinab ein. Oft erhaschten sie auch einen Blick auf die Baustelle der Villa an der Uferpromenade. Sie war noch eingerüstet, aber die Fenster schon eingesetzt.
    Â»Dann wirst du also bald hier drin wohnen?«, fragte Katerina eines Nachmittags.
    Dimitri antwortete nicht. Er blickte stumm auf das riesige Gebäude mit den spitz zulaufenden Pfeilern und der vornehmen Eingangstreppe. Es schien nichts mit ihm zu tun zu haben. Das Haus in der Irinistraße war sein Zu hause, und er fürchtete sich vor dem Tag, an dem er es verlassen musste, um mit einem Vater zusammenzuleben, den er kaum kannte.
    Â»Ob wir dich wohl mal besuchen dürfen? Wird uns dein Vater überhaupt reinlassen mit unseren schäbigen Kleidern und löcherigen Strümpfen?«, fragte Sofia neckend.
    Die sensible Maria bemerkte, dass Dimitri bei den Fragen ihrer Schwester erbleichte.
    Â»Hör auf damit, Sofia.«
    Auch Katerina sah, dass sich Dimitri unbehaglich fühlte, und hielt es für angebracht, das Thema zu wechseln.
    Â»Komm mit, Dimitri«, sagte sie und zog ihn an der Hand. »Lass uns jetzt gehen.«
    Â»Wir sollten uns einen anderen Heimweg suchen«, schlug Maria vor.
    Sie nahmen eine kleine Straße, die in nördlicher Richtung vom Meer wegführte, und stiegen immer weiter hinauf, bis sie auf eine große Straße trafen, bei deren Überquerung sie den ratternden Straßenbahnen ausweichen mussten, die von beiden Seiten auf sie zurasten.
    Â»Wo sind wir?«, fragte Katerina ängstlich, nachdem sie etwa zwanzig Minuten bergauf gestiegen waren.
    Â»Ich weiß es! Ich weiß es!«, sang Sofia. »Ich weiß, wo wir sind!«
    Â»Und wo sind wir?«, fragte Maria herausfordernd.
    Â»Wir sind … in der Nähe des Friedhofs«, antwortete ihre Zwillingsschwester. Maria sah sich um und entdeckte, dass sie sich gegenüber vom Eingang des großen städtischen nekrotafio befanden.
    Â»Kommt mit! Wir wollen reingehen und sehen …«
    Â»Was sehen?«, fragte Maria.
    Â»Was dort drin ist

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