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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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dem Kopf hatten, als sie hier ankamen.«
    Â»Das waren Sie ganz gewiss nicht. Vielleicht erleben Sie sogar ein Goldenes Zeitalter wie wir früher einmal.«
    Â»Das bezweifle ich«, antwortete Eugenia. »Aber im Moment ist es ganz erträglich. Wenn vielleicht noch ein paar Ehemänner heimkämen …«
    In Eugenias Abwesenheit war viel Hausarbeit liegen geblieben. Nachdem sie den Boden gewischt hatte, machte sie sich als Erstes an die mühevolle Aufgabe, die Bettwäsche zu waschen. Maria und Sofia wrangen die großen Leintücher aus, und Katerina half Eugenia beim Aufhängen. Nachdem dies getan war, gingen alle wieder ins Haus.
    Â»Hör zu, Katerina«, sagte Eugenia, »sollen wir uns hinsetzen und einen Brief an deine Mutter schreiben? Die amerikanische Dame hat gesagt, sie will sich darum bemühen, dass er zugestellt wird.«
    Draußen in der frischen Brise flatterte die Wäsche an der Leine.
    Viele Kilometer entfernt in Athen hängte Katerinas Mutter ebenfalls gerade Wäsche auf. Im prachtvollen Gebäude des Athener Opernhauses legte sie eine feuchte Bluse über den Balkonrand.
    Ãœberall in der Hauptstadt waren Flüchtlinge in Schulen, Theatern und Kirchen untergebracht sowie an allen möglichen anderen Orten, wo sie Platz für ihre Familien und ihre wenigen Habseligkeiten fanden.
    Das Opernhaus war das letzte Gebäude, das den Flüchtlingen seine Tore öffnete. Nachts schliefen die Leute auf dem harten Bühnenboden oder auf knarrenden Samtsesseln im Zuschauerraum. Größeren Familien wurde eine der geräumigen Mittellogen als vorübergehende Wohnstatt zugewiesen, und alle im Theater beneideten sie, weil sie wenigstens ein bisschen Privatsphäre hatten.
    Das einst so vornehme Gebäude sah inzwischen wie eine Müllhalde aus und stank wie eine Kloake. Es gab kein fließendes Wasser, und gelegentlich versuchte jemand, zum Kochen Feuer zu machen, wodurch sich zu den ohnehin schon abstoßenden Gerüchen noch der Gestank von schwelendem Samt gesellte.
    Zenia und ihr Baby waren zusammen mit anderen Müttern und deren Kindern in den Garderoberäumen untergebracht. Im gleichen Bereich lebten ein paar alte Nachbarn aus Smyrna. Sie hatten es geschafft, seit ihrer Flucht zusammenzubleiben, und die Frauen trösteten Zenia wegen des Verlusts ihrer Tochter. Sie versicherten ihr, dass sie bald wieder vereint wären, und versprachen, alles zu tun, um ihr zu helfen. Doch Zenia fiel es sehr schwer zu vergessen, dass gerade diese Menschen es gewesen waren, die sie daran gehindert hatten, das kleine Boot zu verlassen, als sie feststellte, dass Katerina nicht bei ihnen war. Bis zum heutigen Tag fragte sie sich, warum sie auf sie gehört hatte. Sie konnte ihnen einfach nicht vergeben, und ein Gefühl von Verbitterung blieb ihr ständiger Begleiter.
    Im Lauf der Monate jedoch hatte sie erfahren, warum sie solche Angst gehabt hatten, sie könnte das Boot zum Ken tern bringen. Sie fürchteten nicht um ihr Leben. Es war ihnen gelungen, einige Reliquien und Ikonen ihrer Gemeindekirche in Smyrna zu retten, und sie planten schon damals, mit diesen wenigen Relikten eine neue Kirche zu bauen. Diese unersetzlichen Überreste ihres früheren Lebens lagen am Boden des Ruderboots, und sie hätten alles getan, um sie nicht zu gefährden. Nur aus diesem Grund hatten sie sich zwischen Katerina und sie gestellt.
    Zenia versuchte, sich all diese Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Sie trauerte um ihren gefallenen Mann und ihre verschwundene Tochter und verließ einmal am Tag das Chaos des Opernhauses, um eine Kirche in der Nähe aufzusuchen. Wenn sie die Glasscheibe vor der Statue der Heiligen Jungfrau küsste, fragte sie sich, wie viele der Lippenabdrücke von ihr stammen mochten. Jeden Tag bat sie um das Gleiche: um Gewissheit. Sie trauerte, ohne zu wissen, ob ihr geliebtes Kind vielleicht doch noch lebte.
    War Katerina der Rache der türkischen Kavallerie entkommen? Die Geschichten über planmäßige Vergewaltigungen und Enthauptungen hatten außerhalb Smyrnas schnell die Runde gemacht. Sie wollte endlich wissen, ob ihr Kind noch am Leben oder tot war, wie schmerzlich die Erkenntnis auch sein mochte.
    Als sich das Gerücht verbreitete, es gäbe Wohnungen für einige Bewohner des Opernhauses, herrschte große Aufregung. Zenia geriet ins Fantasieren und stellte sich vor, dort wären ein Herd, eine Toilette, Tisch

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