Eine Geschichte von Liebe und Feuer
reichen Kunden, die sie an ihrem Hochzeitstag tragen wollte. Es wurde keine Ausgabe gescheut, weder für das Brautkleid, das in der Schneiderei hergestellt wurde, noch für die Dessous.
Katerina und Roza setzten sich nebeneinander an den Tisch, damit das Mädchen seiner Lehrerin zusehen und sie nachahmen konnte.
»Kannst du es mir geben?«
Als Katerina das federleichte Seidenhöschen nahm, rieselte es wie Wasser durch ihre Finger.
»Hier, bitte«, sagte sie kichernd, als es auf dem Leinentischtuch landete. »Es ist fast, als wäre es gar nicht wirklich da!«
»Das ist der feinste Stoff, den man verarbeiten kann«, sagte Roza Moreno. »Nur noch ein wenig dünner, und es gäbe keine Nadel auf der Welt, die fein genug dafür wäre.«
Katerina hatte ein eigenes Stück Crêpe de Chine, das sie bearbeiten durfte. Sie hatte bereits den Rand umstickt und versuchte sich jetzt an einigen Buchstaben. Ihr Plan war, einen ganzen Namen in der gleichen Schriftform auszuführen, wie ihre Lehrerin sie für die Unterwäsche verwendete. Es bedurfte groÃer Konzentration und Geschicklichkeit, die Nadelspitze so anzusetzen, dass sie sich nicht im Stoff verhakte, aber das Kind war entschlossen, und die Begabung dafür schien ihm angeboren zu sein.
»Kannst du mir eine Nummer acht einfädeln?«
Die GröÃe Nummer acht war extrem dünn und würde, ohne Spuren zu hinterlassen, durch den Stoff gleiten. Zuerst spaltete Roza Moreno die Nähseide in zwei Fäden und teilte einen davon dann erneut, sodass sie mit einem Material so fein wie menschliches Haar nähen würden. Dann überlieà sie es Katerinas adlergleichen Augen, die Seide einzufädeln. Sie machte keinen Knoten am Ende des Fadens, da die Enden unsichtbar vernäht werden würden.
Beide begannen zu arbeiten. Die Kunst bestand darin, den Namen so zu sticken, als wäre er spontan wie eine Unterschrift hingeworfen, ein Stil, der das Wäschestück zu etwas ganz Persönlichem für die Trägerin machte.
Sie arbeiteten über eine Stunde lang, während von nebenan die gedämpften Laute des anhaltenden Streits durch die Wand drangen. Roza summte bei der Arbeit vor sich hin und blickte ab und an nach links, wo Katerina fleiÃig stickte und sich mit jedem Stich der Blume näherte, mit der sie abschlieÃen wollte.
»Das ist perfekt, glyki mou , absolut makellos, meine SüÃe«, sagte Roza. »Aber meinst du nicht, dass du bald heimgehen solltest?«
»Ich möchte das zuerst fertig machen«, antwortete Kate rina, ohne einen Moment innezuhalten. »Und auÃerdem ruft mich Kyria Eugenia, wenn es Zeit ist.«
»Ich sollte jetzt lieber aufhören, meine Augen sind müde, aber ich leiste dir Gesellschaft! Wenn Saul kommt, mache ich dann Schluss.«
Roza Moreno hatte den Namen in blassem Rosé auf dem Höschen fertiggestellt, faltete es sorgsam zusammen und legte es in die Schachtel zurück, die sie mit einem Band verschloss. Es würde vor dem Hochzeitstag nicht mehr herausgenommen werden.
Dann nahm sie die Näharbeit auf, die sie nur zu ihrem eigenen Vergnügen machte. Es handelte sich um eine Stickerei, an der sie immer weiterarbeiten würde, vielleicht ihr ganzes Leben lang. Es war ein bestickter Quilt mit Vögeln, Früchten, Blumen und Schmetterlingen darauf, der bereits benutzt wurde. Aber sie fand immer noch ein Stückchen Platz, um eine weitere Traube, einen Jasminzweig oder, wie heute, ein paar Orangenblüten hinzuzufügen.
»Das ist mein kleines Paradies«, sagte sie.
Für Roza Moreno war die Arbeit an diesem Quilt, der sie und ihren geliebten Mann nachts warm hielt, von tiefer symbolischer Bedeutung.
»Selbst wenn ich noch tausend Jahre lang lebte«, sagte sie, »wird er dennoch niemals fertig sein. Er hatte einen Anfang, wird aber nie ein Ende haben.«
Rozas Worte prägten sich tief in Katerinas Gedächtnis ein. Für alle Zeit würden Liebe und Sticken für sie miteinander verbunden bleiben.
Kurz bevor Saul nach Hause kam, setzte Katerina den letzten Stich, legte stolz ihre Arbeit auf den Tisch und steckte die Nadel in den gepolsterten Deckel der Schatulle.
»Das ist wunderschön, Katerina«, sagte Roza und legte ihre eigene Näharbeit weg, um die des Kindes zu bewundern. Sie hatte dem Mädchen nun mehrere Wochen lang zugesehen, und es war zweifellos das Beste, was die Kleine je
Weitere Kostenlose Bücher