Eine Geschichte von Liebe und Feuer
gemacht hatte. »Sollen wir es in Seidenpapier einwickeln?«
Als dies getan war, war es für Katerina Zeit, heimzugehen. Der Duft von Eugenias gemista, köstlichem gefülltem Ge müse, wehte von nebenan herüber und rief sie zum Abendessen.
Der Streit über die Zukunft der Zwillinge war immer noch in Gang und hörte auch bei Tisch nicht auf.
»Aber Isaac ist schon raus aus der Schule!«, maulte Sofia.
»Warum können wir das dann nicht auch?«, fuhr Maria fort.
Eugenia schnitt ruhig die Tomaten für den Salat. Die Zwillinge waren nie gern zur Schule gegangen, und sie wusste, dass sie oft den Unterricht schwänzten. Den Sinn einer schu lischen Ausbildung hatten sie nie wirklich verstanden. Sie wollten lieber in die Welt hinaus und ihre Freiheit genieÃen.
»Bei Isaac ist das etwas anderes. Er kann in das Familien geschäft einsteigen. Und er ist Lehrling«, antwortete sie ruhig.
Die drei Mädchen saÃen am Tisch und warteten auf das Essen. Maria zerkrümelte erregt ein Stück Brot zwischen den Fingern. Sofia, wie immer die Wortführerin der beiden, war entschlossen, nicht lockerzulassen.
»Warum können wir dann keine Lehrlinge werden?«
»Das könnt ihr doch. Wir können versuchen, eine Lehrstelle bei einem Weber für euch zu finden. Oder ich könnte euch unterrichten.«
»Aber wir wollen nicht machen, was du tust.«
Eugenia wusste sehr wohl, dass keines der beiden Mädchen die Geduld zum Weben oder Nähen aufbrachte. Sofia hatte einmal eine sehr schlampige Probe ihres Könnens abgeliefert, und Marias Finger waren nicht geschickt genug, um selbst einfachste Stiche auszuführen. Dennoch, Eugenia wollte nicht, dass sie »Tabakmädchen« wurden. Sie hatte keine Vorstellung, wohin so ein Leben führen sollte.
Der Streit drehte sich im Kreis. Katerina saà ruhig da, aÃ, was man ihr vorsetzte, und ging dann nach oben ins Bett. Sie nahm das in Geschenkpapier eingewickelte Päckchen und legte es unter ihr Kopfkissen.
Am nächsten Morgen, bevor Katerina zur Schule ging, legte sie ihr Geschenk auf den Hocker neben dem Webstuhl. Es war Eugenias Namenstag, und sie wusste, wenn sie mit der Hausarbeit fertig wäre, würde sie sich zum Weben niedersetzen.
Als Eugenia das Päckchen auswickelte und das Taschentuch in ihre Hände fiel, riss sie vor Staunen die Augen auf. Mehr noch als ihr perfekt gestickter Name und die schattier ten Blütenblätter einer Rose verblüffte sie etwas anderes. Ãber der wundervoll ausgeführten Blume schwebte ein Schmetter ling mit Flügeln und Fühlern. Dieses Detail war ganz auÃergewöhnlich. Mit dem Taschentuch in der Hand eilte sie nach nebenan.
»Roza«, sagte sie, als sie den Vorhang hob und ins Haus der Morenos trat. »Hast du das gesehen?«
»Ja, natürlich. Ich hab zugesehen, wie sie es gemacht hat.«
»Ich weià nicht, was ich sagen soll â¦Â«
»Dieses Kind hat eine groÃe Begabung. Ich war genauso verblüfft von ihrer Arbeit wie du.«
»Aber wie kann ein zehnjähriges Kind so sticken?«
»Ich weià nicht. Selbst Saul sagt, dass er so was noch nie gesehen hat. Ich habe ihr die Grundkenntnisse beigebracht, aber sie hat mich bereits überflügelt.«
»Dann stammt es wirklich von ihr? Ich dachte einen Moment lang, dass du ihr geholfen haben musst â¦Â«
»Ich habâs nicht angerührt! Es ist allein ihr Werk, glaub mir. Meine eigene Stickerei sieht daneben geradezu unbeholfen aus.«
»Ich wünschte, meine Zwillinge hätten etwas von ihrem Talent â¦Â«
Die beiden Frauen lachten und plauderten eine Weile, bevor Eugenia aufstand und sich verabschiedete. Sie hatte viel zu tun, weil sie diesen Monat einen Teppich fertigstellen musste.
»Chronia polla, Eugenia« , rief Roza Moreno ihr nach. »Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag.«
»Danke«, antwortete Eugenia. »Komm doch später rüber und iss ein Stück Kuchen mit uns.«
Sie ging in ihr Haus zurück und verbrachte den Rest des Vormittags mit Weben. Immer wieder dachte sie über Katerinas Zukunft nach, aber sie machte sich auch Sorgen, was aus ihren widerspenstigen Töchtern werden würde.
Ein heftiges Klopfen riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. Es war der Postbote. Er tauchte jetzt seltener in der IrinistraÃe 5 auf, da Zenia nicht mehr regelmäÃig schrieb, aber Eugenia streckte die
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