Eine Geschichte von Liebe und Feuer
durchquerte den Raum und setzte sich neben Olga. Auch er war hingerissen von den Geschichten der jungen Frau, die sie so lebhaft zu erzählen wusste.
Als Konstantinos Komninos nach Hause kam, wurde er von einem Geräusch empfangen, das er in seinem Haus nicht kannte: Schallendes Gelächter drang aus dem ersten Stock nach unten. Sein Husten und der Klang seiner Schritte brachte es allerdings sofort zum Verstummen, und als er in den Salon trat, hatte Katerina sich bereits erhoben, um zu gehen.
»Das ist Katerina von Moreno & Söhne«, sagte Dimitri schnell, als wollte er ihre Anwesenheit entschuldigen. »Sie hat etwas abgegeben.«
»Ich weiÃ, wer sie ist«, erwiderte er schroff. »Und wo ist es? Wo ist das Kleid?«
Er sah den Karton, der immer noch auf dem Stuhl lag. Pavlina hatte das Kleid nicht aufgehängt, und als Komninos es aus der Verpackung nahm, sahen alle die Knitterfalten, die von oben bis zum Saum hinabreichten.
»Aber das sollst du heute Abend tragen!«, rief er ärgerlich aus. Mit dem Kleid in der Hand ging er zu dem kleinen Tisch, der neben Olga stand, nahm die Glocke und klingelte wütend. Sekunden später erschien Pavlina.
Sie brauchte keine Anweisungen, sondern nahm ihm schweigend das Kleid aus der Hand.
»Ich kümmere mich darum, dass es heute Abend perfekt aussieht«, sagte sie fröhlich. »Es muss bloà ein bisschen gebügelt werden.«
Katerina war tief beschämt. Sie hätte darauf achten sollen, dass das Kleid sofort aus der Schachtel genommen wurde. So hatte Kyrios Morenos Anweisung gelautet, und nun würde ihr Fehler auf ihn zurückfallen.
Die Atmosphäre im Raum hatte sich vollkommen verändert. Katerina warf einen Blick durch die hohen Fenstertüren, wo Himmel und Meer noch immer bedrohlich grau aussahen. Dennoch wirkte die Stimmung dort drauÃen weitaus einladender als die im Salon.
»Dimitri«, sagte Olga mit aufgesetzt guter Laune, »begleite Katerina doch bitte hinaus.«
»Natürlich«, antwortete er.
»Und vielen Dank, dass du das Kleid gebracht hast, Katerina. Es war sehr nett von dir, es rechtzeitig fertig zu machen.«
»Auf Wiedersehen, Kyria Komninou.«
Katerina folgte Dimitri nach unten. Die ärgerliche Reaktion seines Vaters vor der jungen Frau war ihm peinlich. Er und seine Mutter hätten sich über ihren Besuch gefreut, versicherte er, und sie hofften, sie komme bald wieder. Als er sich an der Eingangstür von Katerina verabschiedet hatte, lief er sofort in sein Zimmer im zweiten Stock hinauf.
Ein paar Stunden später hörte er, wie die Gäste seines Vaters eintrafen. Er stellte sich seine Mutter vor, deren Blässe geschickt mit etwas Rouge belebt und deren dunkles Haar elegant aufgesteckt wäre, um ihren schlanken Hals zu betonen. Das mattgelbe Seidenkleid würde sich an ihren Körper schmiegen und beim Gehen elegant mitschwingen. Sie würde all die anderen Ehefrauen ausstechen, und die wohlhabenden Gäste, die diesmal aus Athen kamen, würden sich bald entscheiden, ihre Tuche in Zukunft bei Komninos zu ordern. Besonders beeindruckt wären sie natürlich von Olgas Robe. Fünf Jahre zuvor hatte Komninos ein groÃes Stück Land im Norden der Stadt gekauft und mit Maulbeerbäumen bepflanzt. Die Seidenraupen hatten gute Arbeit geleistet, und Komninos produzierte jetzt seine eigene Seide. Deren Qualität würde sein Geschäft auf ein völlig neues Niveau heben.
Den ganzen Abend blieb Dimitri über seine Bücher gebeugt. Wenn er die anstehenden Prüfungen schaffte, bekäme er einen Platz in der medizinischen Fakultät, und obwohl sein Vater dies missbilligte, war er fest entschlossen, sich gegen ihn durchzusetzen.
Es war aber nicht das beständige Summen der Gespräche und das endlose Klappern von Geschirr, das seine Konzentration störte. Während die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen, dachte er an Katerinas Geschichten und an ihre kindliche, glockenhelle Stimme. Es war lange her, dass er seine Mutter so unbeschwert hatte lachen hören. Auch wenn sie gar keine neuen Kleider brauchte, hoffte er inständig, dass Katerina bald wieder eines bringen würde.
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I m selben Jahr bestand Dimitri seine Prüfungen und trat in die medizinische Fakultät der Universität ein. Sein Vater war auÃer sich. Im Geschäftsleben waren Verträge und schrift liche Abmachungen neuerdings immer wichtiger
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