Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Katerina und Elias auf dem Weg zur Arbeit. Als sie auf ihn zukamen, wirkten sie so fröhlich und zufrieden, und es machte beinahe den Eindruck, als lebten sie in ihrer ganz eigenen Welt. Sie bemerkten ihn erst, als er fast schon vor ihnen stand.
»Dimitri!«, rief Katerina aus. »Wie schön, dich zu sehen.«
Innerhalb weniger Minuten hatten sie sich auf den neues ten Stand gebracht, was ihr jetziges Leben anging, wobei sie sich gegenseitig immer wieder mit Fragen und Ausrufen unterbrachen.
»Wie geht es Eugenia?«
»Sie webt jetzt in einer Werkstatt. Die Arbeit ist schwer, aber nicht mehr so einsam.«
»Und die Zwillinge?«
»Maria ist inzwischen verheiratet und mit ihrem Baby nach Trikala gezogen.«
»Ein Baby! In so jungen Jahren!«
»Und Sofia wird wahrscheinlich auch bald heiraten â¦Â«
»Wahrscheinlich?«
»Nun, Sie sind schon seit zwei Jahren verlobt. Das ist doch ziemlich lang ⦠Und wie geht es deiner Mutter?«
Katerina hatte gerade einen Perlenbesatz an einem neuen Kleid für sie in Arbeit und deshalb an sie gedacht.
»Ihr gehtâs gut«, antwortete Dimitri, weil er wusste, dass diese Antwort erwartet wurde. »Vielleicht bittet man dich, das Kleid abzuliefern?«
»Das würde ich gern tun. Aber erinnerst du dich noch an das letzte Mal? Ich habe wegen des gelben Kleids ziemlichen Ãrger bekommen. Wir haben inzwischen so viel zu tun, dass es einen eigenen Auslieferungsdienst gibt. Kyrios Moreno hat jetzt sogar einen Lieferwagen!«
Wie schade, dachte Dimitri. Er erinnerte sich an den Nachmittag vor zwei Jahren, als Katerina das gelbe Kleid abgeliefert und so viel Fröhlichkeit ins Haus gebracht hatte. Ob seine Mutter seitdem noch einmal so fröhlich gewesen war, wagte er zu bezweifeln. Und da sie nie aus dem Haus ging, konnte sie sich nur mit ihm und Pavlina unterhalten, denn dass seine Eltern kaum ein Wort miteinander wechselten, war offenkundig. Sie war immer begierig, Neuigkeiten aus der Universität zu hören, und hungerte nach Details aus Dimitris Leben: wie diese oder jene Diskussion ausgegangen war, wer seine Freunde waren. Sie schien ihr Leben durch ihn zu leben, weil sie kein eigenes hatte.
»Wir sollten mal Kaffee trinken gehen!«, sagte Elias. »Wir haben doch noch was nachzuholen, oder?«
Dimitri lachte. Elias spielte auf ihre früheren tavli- Wettkämpfe an. Selbst nach endlosen Runden war nie einer dem anderen mehr als einen Spielgewinn voraus. Es war die reinste Obsession gewesen. Doch seit damals hatte sich jeder von ihnen erheblich verbessert und neue Strategien im Repertoire.
Sie trugen sich gegenseitig auf, GrüÃe an die Familie des jeweils anderen auszurichten, und vereinbarten, sich am kommenden Wochenende zu treffen.
Dimitri konnte nicht widerstehen, einen Blick zurückzuwerfen, und es versetzte ihm einen Stich, als er sah, wie sich Katerinas Kopf zu Elias hinüberneigte. Fast so, als hätte sie sich an ihn geschmiegt.
Ein wesentlicher Bestandteil in Dimitris Studentenleben war eine Gruppe neuer Freunde, mit denen er sich nach den Vorlesungen oft traf. Es gab immer viel zu diskutieren, und das Kafenion war dafür besser geeignet als die Bibliothek.
Vassili war eindeutig der Anführer der Gruppe, nicht nur wegen seiner kräftigen Statur â er spielte FuÃball in einer der städtischen Mannschaften â, sondern auch aufgrund seiner lauten Stimme und seines völligen Mangels an Selbstzweifeln. Sein familiärer Hintergrund und seine Erziehung unter schieden sich grundlegend von denen Dimitris. Vassilis Vater, ein Flüchtling aus Kleinasien, war Gewerkschaftsfunktionär, und sozialistische Ãberzeugungen hatte der Freund praktisch mit der Muttermilch eingesogen. Einige Monate zuvor hatte er den charismatischen kommunistischen Führer Nikolaos Zachariades kennengelernt, der genauso wie Vassilis Familie aus Kleinasien stammte. Er hatte ihn sofort in seinen Bann gezogen.
Bei ihm fand er ein System von Ãberzeugungen mit klar definierten Zielen, die idealistische junge Männer wie Vassili ansprachen. Die Begeisterung, mit der sich Vassili seinem neuen Anliegen widmete, war leidenschaftlicher als eine frische Liebesaffäre und hatte mehr Inbrunst als der Ãbertritt zu einem neuen Glauben.
Das Einzige, was ihn von der Politik ablenkte, war Musik. Eines Freitagabends, oder vielleicht sogar erst in den frühen Morgenstunden des nächsten
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