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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
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Da bei besonders feinen Stoffen die Säume nicht mit der Maschine genäht werden konnten, nähte sie sie mit der Hand. Ihre Handarbeiten waren inzwischen hochbegehrt in der Stadt.
    Â»Bei ihren Kleidern kann man die Innenseite nach außen tragen«, sagten ihre reichen Kundinnen.
    Und das war nicht übertrieben. Ihre Säume waren perfekt, und ihre Perlenbesätze sahen auf der Rückseite zuweilen noch schöner aus als von vorn.
    Eines Tages bekam sie den Auftrag, letzte Hand bei einem blassgelben Crêpe-Kleid anzulegen. Es war für jemanden mit einer Wespentaille gemacht, und Katerina sollte die vielen bezogenen Knöpfe auf der Vorderseite annähen und die Knopflöcher fertigen. Die Arbeit war deshalb so schwierig, weil die Knöpfchen so winzig waren.
    Â»Es ist für Kyria Komninos«, erklärte Saul Moreno.
    Katerina wusste, dass sie keine Kommentare über Kunden oder deren Vorlieben abgeben durfte. Diskretion und Takt gehörten zu den Voraussetzungen ihrer Arbeit, dennoch konnte sie es sich nicht verkneifen, eine Bemerkung zu machen.
    Â»Sie ist so dünn!«, sagte sie entsetzt. »Ist sie denn bei guter Gesundheit?«
    Â»Eine der Schneiderinnen ist bei ihr zu Hause gewesen, um Maß zu nehmen, und hat nichts von einer Krankheit erwähnt. Aber wenn du das Kleid fertig hast, würde es dir etwas ausmachen, es für mich abzuliefern?«
    Â»Nein, natürlich nicht«, antwortete Katerina und versuchte, keinen allzu übereifrigen Eindruck zu machen.
    Â»Kyrie Komninos möchte, dass sie es am Samstag bekommt.«
    Katerina blieben damit kaum zwei Tage, um die Arbeit fertigzustellen.
    Sie machte sich sofort ans Werk, und zur Musik von Markos Vamvakaris nähte sie am Freitagnachmittag um drei den letzten Knopf an das Kleid. Nach einer abschließenden Inspektion durch Saul Moreno wurde es sorgfältig zwischen mehrere Schichten Seidenpapier in eine große, flache Schachtel gelegt und mit einem gelben Band verschlossen.
    Katerina setzte ihren Hut auf, zog ihren Mantel an und machte sich mit dem Paket unterm Arm aufgeregt auf den Weg zum Haus der Komninos, das sie zwar oft gesehen, aber noch nie betreten hatte.
    Es nieselte bereits, als sie das Atelier verließ, und als sie unten am Wasser angekommen war, schlugen die Wellen über die Kaimauer auf die Promenade. Eine Straßenbahn ratterte vorbei, sie spürte, wie Wasser in ihre Schuhe schwappte, und beschleunigte ihre Schritte. Der Regen wurde immer stärker, und da das Kleid wahrscheinlich so viel kostete, wie sie im halben Jahr verdiente, sorgte sie sich, es könnte feucht werden in der Schachtel. Sie legte beide Arme darum und drückte sie an sich.
    Die Straßen waren fast menschenleer an diesem Nachmittag, weil die meisten das Ende des Regens abwarteten, bevor sie sich hinauswagten, aber plötzlich sah sie durch den Regen eine Gestalt auf sich zukommen. Der Mann trug eine Ledertasche wie ein Geschäftsmann, und sie fragte sich, wer ausweichen würde, damit der andere nicht in die Pfützen treten musste.
    Dann stellte sie fest, dass sie beide in die gleiche Auffahrt einbogen.
    In den vergangenen Jahren hatte sie Dimitri immer nur aus der Ferne gesehen, doch als er jetzt plötzlich vor ihr stand, wirkte er trotz seines schicken Anzugs genau wie der Junge von damals.
    Dimitri erkannte Katerina nicht gleich. Er hatte zu Boden geblickt, und die Hutkrempe hatte seine Sicht behindert, doch als sie ihn ansprach, hob er sofort das Gesicht.
    Â»Dimitri … hallo. Wie geht es dir?«, fragte sie mit klopfendem Herzen.
    Â»Katerina! Das ist aber eine Überraschung! Was machst du denn hier?«
    Bevor sie antworten konnte, öffnete Pavlina die Tür.
    Â»Kommt rein. Schnell«, sagte sie. »Es ist scheußlich da draußen!«
    Â»Ich bringe ein Kleid für Kyria Komninou«, erklärte Katerina und reichte Pavlina den Karton.
    Â»Den musst du ihr schon selbst geben!«, erwiderte Pavlina. »Zieht eure nassen Sachen aus und kommt mit nach oben. Sie ist im Salon.«
    Dimitri und Katerina hängten ihre feuchten Mäntel an die Garderobe und folgten Pavlina die breite Treppe hinauf. Katerina blieb fast der Mund offen stehen angesichts der Pracht, der Größe und der verschwenderischen Ausstattung des Hauses. So etwas hatte sie noch nie gesehen. An den Wänden hingen Ölgemälde in vergoldeten Rahmen, und die glänzenden europäischen Möbel

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