Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
Vom Netzwerk:
nicht so klar im Kopf gewesen wäre, hätte er beim Gang durch die schäbigen Gassen wahrscheinlich seinen Augen nicht getraut. Eine Weile gingen sie in mäßigem Abstand hinter der schemenhaften Gestalt eines Mannes her. Dann blieb der Mann vor einem Eingang stehen und blickte sich um, bevor er durch die Tür trat, die von innen geöffnet wurde. Elias und Dimitri konnte er nicht sehen, weil sie im Schatten verborgen waren, aber die beiden erkannten ihn ganz genau.
    Â»War das nicht …?« Elias brach verlegen ab und wünschte, er hätte nichts gesagt.
    Â»Mein Vater. Ja. Ich bin sicher, dass er es war.«
    Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, setzten sie ihren Weg fort. Dimitri war schockiert. Es war eines der besseren Hurenhäuser, dennoch war es ein Bordell. Sein Vater ging also zu einer Prostituierten.
    Dimitris erster Gedanke war, zu warten, bis er wieder herauskam, und ihn gleich auf der Stelle zur Rede zu stellen.
    Elias nahm Dimitris Arm und ahnte, was ihm durch den Kopf ging. Er spürte den Zorn und das Entsetzen seines Freundes.
    Â»Vielleicht ist es besser, hier keine Szene zu machen, Dimitri«, sagte er. »Vielleicht solltest du überhaupt nichts sagen.«
    Dimitri wusste, dass er einige Zeit brauchen würde, um zu verdauen, was er gesehen hatte. Im Moment dachte er nur, dass alles, wofür sein Vater stand, ein gewaltiges Lügengebäude war. Er war viel enger mit der dunklen Seite Thessalonikis verbunden als sein Sohn. Er war ein Heuchler.
    Als Dimitri in dieser Nacht nach Hause kam, war er fast bewusstlos vom Alkohol. Er stolperte gegen den Tisch in der Eingangshalle, und eine Statue fiel klirrend zu Boden. Sein Vater tauchte mit solcher Schnelligkeit am oberen Treppenab satz auf, dass Dimitri sich fragte, ob er auf ihn gewartet hatte.
    Â»Was glaubst du, wie spät es ist?«, fragte er zuerst flüsternd, dann immer lauter, als er die Treppe hinunter- und auf seinen Sohn zustürzte. »Wo, um Himmels willen, bist du gewesen?«
    Dimitri glaubte, er wolle ihn schlagen. Er blieb ganz ruhig stehen, während sein Vater in seinem schwarzen Morgenrock wie ein Rabe auf ihn zugeflattert kam, und hielt sich am Tisch fest, um das Gleichgewicht zu halten.
    Â»Hast du mich nicht gehört? Wo bist du gewesen?«, rief Konstantinos Komninos inzwischen in voller Lautstärke. »Antworte mir!«
    Pavlina, von dem Lärm aufgeschreckt, stand besorgt an ihrer Schlafzimmertür im Erdgeschoss.
    Dimitri schaffte es, sich zu beherrschen, beugte sich so nah zu seinem Vater, dass ihn nur noch ein paar Zentimeter von seinem Gesicht trennten, und beantwortete die Frage so leise, dass Pavlina nichts hören konnte.
    Â»Ich war in der Dionisstraße.«
    Komninos wurde blass, weil in der Stimme seines Sohnes eindeutig ein triumphierender Unterton mitschwang.
    Pavlina war verschwunden und kehrte mit einem Besen zurück, um die Scherben zusammenzukehren.
    Komninos hatte sich schnell wieder im Griff. Inzwischen war auch Olga am Ende der Treppe aufgetaucht.
    Â»Was ist passiert?«, rief sie nach unten. »Dimitri, ist alles in Ordnung mit dir?«
    Ihre Sorgen waren in erster Linie mütterlicher Natur. Sie wusste, dass Dimitri in den verrufenen Vierteln der Stadt verkehrte, und hatte gelesen, dass es dort oft Messerstechereien zwischen den Zuhältern gab.
    Â»Mir geht’s gut, Mutter«, rief er nach oben.
    Â»Es ist Zeit, dass alle wieder ins Bett gehen«, bellte Konstantinos. »Pavlina, kehr das bitte morgen auf.«
    Olga war wieder verschwunden, Pavlina zog sich schweigend in ihr Zimmer zurück und ließ den Besen an die Wand gelehnt stehen. Komninos drehte sich um und ging ruhig die Stufen hinauf.
    Dimitri wartete, bis sich die Schlafzimmertür seiner Eltern schloss, dann hielt er sich am Geländer fest und stieg wankend in sein Zimmer hinauf.
    Beim Essen am folgenden Tag versammelten sich Dimitri, Olga und Konstantinos um den großen runden Speisetisch, wo ihre Gedecke wie üblich in exakt gleichem Abstand aufgelegt waren. Das steife Blumenarrangement in der Mitte spiegelte die Stimmung wider. Pavlina servierte die verschiedenen Gänge, und die Konversation war angestrengt. Jedes Mal, wenn sie einen Teller abräumte, sah sie, dass Olga ihr Essen kaum angerührt hatte. Bei Dimitri war es nicht anders.
    Olga wusste, dass es zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn Probleme gab, und versuchte, einen leichten Plauderton

Weitere Kostenlose Bücher