Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hislop
Vom Netzwerk:
anzuschlagen. Dimitri vermied es während des ganzen Essens, seinen Vater anzusehen.
    Nur eine Woche zuvor hatten sie gemeinsam den Ostergottesdienst besucht. Dimitri sah noch vor sich, wie sein Vater die Ikone küsste, sich bekreuzigte und gehorsam niederkniete, um mit den Lippen den Ring an der ausgestreckten Hand des Priesters zu berühren. Es schauderte ihn, wenn er daran dachte, dass sein Vater den Sitz in der ersten Bankreihe wahrscheinlich eher seinem finanziellen Beitrag zum Kirchenbau als seiner Frömmigkeit verdankte. Er blickte auf seine Mutter und fragte sich, ob sie wohl irgendetwas ahnte.
    Mehr denn je schien Konstantinos Komninos eine geradezu selbstquälerische Freude daran zu haben, die politischen Unterschiede zwischen sich und seinem Sohn auszuloten, und klammerte sich an die Hoffnung, dass Dimitri schließlich doch noch auf seine Linie einschwenken würde. Ein Sohn übernahm immer das Familiengeschäft. Etwas anderes gab es nicht. Er hatte immer noch nicht akzeptiert, dass Dimitri ganz andere Ziele anstrebte.
    Konstantinos wusste, dass Dimitri ihn vor seiner Mutter nicht bloßstellen würde, und nutzte diese Gewissheit, um mit seinem Sohn ein noch übleres Spiel zu spielen als sonst, indem er ihn zu haltlosem Zorn über die gegenwärtigen Zustände des Landes anstachelte. Der König hatte Ioannis Metaxas, einen Armeegeneral, zum Premierminister ernannt, und Metaxas gab der Polizei freie Hand, Arbeiterproteste brutal niederzuknüppeln. Einige Gewerkschafter und Kom munisten waren bereits ausgewiesen worden, und als Fabrik besitzer freute sich Komninos natürlich, dass etwas getan wurde, um die Arbeiter in die Schranken zu weisen.
    Â»Wenn du mich fragst, je härter, desto besser!«
    Er richtete seine Bemerkung direkt an Dimitri und war überzeugt, eine Reaktion zu bekommen.
    Olga zuliebe ging Dimitri nicht auf die Provokation ein. Er befürchtete, mit etwas herauszuplatzen, was seine Mutter nicht hören sollte, aber ihm war bewusst, dass sein Vater ihn nur provozierte, damit er die Beherrschung verlor. Solange Olga am Tisch saß, wusste sich Konstantinos Komninos in Sicherheit.
    Dimitri schnitt seinen Braten auf und stellte sich vor, die glänzende Klinge würde ins Fleisch seines Vaters getrieben. Immer noch kauend, stand er auf.
    Â»Ich muss gehen«, sagte er.
    Â»Wohin gehst du am Sonntagnachmittag?«, fragte sein Va ter aufgebracht. »Sind die Bibliotheken nicht geschlossen?«
    Â»Ich treffe mich mit Freunden.«
    Â»Wie schade, agapi mou !«, sagte Olga. »Pavlina hat deinen Lieblingskuchen gebacken.«
    Â»Hebst du mir ein Stück auf?« Er beugte sich hinunter, um sie auf den Kopf zu küssen. »Es tut mir leid, dass ich fortmuss.«
    Kurz darauf war er auf der Straße und eilte zu dem Kafenion, wo er sich mit Elias und Vassili verabredet hatte. Als er an dem Fenster vorbeiging, sah er, dass noch jemand bei ihnen saß. Katerina.
    Dimitri war zwar schnell gelaufen, aber das war nicht der Grund für das wilde Klopfen seines Herzens.
    Eigentlich war es nicht üblich, dass sich Frauen in diesem Kafenion aufhielten, deshalb erklärte Katerina hastig, warum sie hier war.
    Â»Ich hatte eine Anprobe im Haus einer Kundin«, sagte sie, »gleich in der nächsten Straße, und Elias hat mich überredet, danach auf einen Kaffee herzukommen.«
    Â»Am Sonntag? Ist das denn kein Ruhetag?«
    Â»Nicht, wenn man für Kyrios Moreno arbeitet«, antwortete sie lachend und nahm ihre Tasche. »Aber egal, ich hoffe, ich sehe dich bald wieder, Dimitri.«
    Â»Soll ich dich nach Hause begleiten?«
    Die Frage war ihm einfach so herausgerutscht und sofort peinlich. Es lag doch auf der Hand, dass Elias sie begleiten würde. Er wohnte schließlich in derselben Straße.
    Â»Nein danke«, erwiderte sie. »Es ist ja noch hell. Ich komme schon allein zurecht.«
    Â»Bist du sicher?«, fragte er.
    Zu seiner Überraschung änderte sie ihre Meinung.
    Â»Ach, eigentlich wäre es ganz nett. Du gehst doch noch nicht heim, Elias, oder?«
    Elias schüttelte stumm den Kopf.
    Es war nicht weit in die Irinistraße, und Dimitri versuchte, langsamer zu gehen, damit sie sich nicht gleich wieder trennen müssten.
    Im Gehen erzählte Katerina von der Moreno-Familie. Roza Moreno habe ihr inzwischen alles beigebracht, was sie wusste, und jeden Tag bekomme sie neue Möglichkeiten, ihre Fertigkeiten

Weitere Kostenlose Bücher