Eine Geschichte von Liebe und Feuer
hat!«
Dimitri versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er wollte seinen Vater auf keinen Fall wissen lassen, dass er heute an den Protesten teilgenommen hatte.
»Das scheint mir doch etwas überzogen zu sein«, antwortete er.
»Meiner Ansicht nach nicht, Dimitri, keineswegs.«
Dimitri erwiderte nichts.
»Er hat sogar den Ausnahmezustand verhängt. Das ist die einzige Art, um mit diesen Leuten fertigzuwerden.«
Bei der Art, wie sein Vater »mit diesen Leuten« sagte, hätte Dimitri ausspucken können, aber seine Stärke bestand darin, sich zu beherrschen. »Halt dich morgen bitte von den StraÃen fern.«
Komninos wusste, dass sein Sohn an diesem Tag demonstriert hatte. Ein Zuschauer hatte Dimitri gesehen und ihm davon berichtet.
Der nächste Tag begann auf die gleiche Weise. Eine Gruppe von Studenten, einschlieÃlich Dimitri, traf sich und machte sich auf den Weg ins Zentrum von Thessaloniki, um sich verschiedenen anderen Gruppen anzuschlieÃen.
Die Stimmung war diesmal allerdings völlig anders. Im Zentrum der Stadt stand eine Phalanx aus Polizei und Soldaten Demonstranten gegenüber, die »Lang lebe der Streik« riefen. Dann sahen sich die Opponenten eine Weile lang nur an. Es war seltsam still, aber die Atmosphäre spürbar mit Aggression aufgeladen.
Vassili, der unbedingt in vorderster Front sein wollte, kämpfte sich in die Mitte der Menge durch. Dimitri versuchte, ihm zu folgen, aber plötzlich drängten sich die Demonstranten enger zusammen und versperrten ihm dadurch den Weg. Dann stieÃen alle mit einem kollektiven Aufschrei nach vorn.
In dem Moment eröffnete die Polizei das Feuer.
Von seinem Standort aus konnte Dimitri nur erkennen, dass die Menge zurückwich und einige zu fliehen versuchten. Es entstand Chaos, Panik, begleitet von vollkommener Fassungslosigkeit. Die Polizei hatte tatsächlich das Feuer auf unbewaffnete Menschen eröffnet.
Leute flohen in alle Richtungen, schrien, schlugen um sich, versuchten zu entkommen, unter ihnen auch Dimitris Freunde. Es gab keine Chance, sich umeinander zu kümmern.
Niemand verstand, was gerade geschah, alle reagierten rein instinktiv, und einige aus ihrer Gruppe gingen in der Massenpanik zu Boden. Dimitri fand sich in einer Gasse wie der. Alle umliegenden Läden und Cafés waren verrammelt, also konnte er nirgendwo Unterschlupf suchen. Blind rannte er weiter. Die Polizei würde Demonstranten verhaften, und es war bekannt, wie brutal sie Gefangene behandelten.
Seine Beine zitterten vor Anstrengung und Angst, als er bemerkte, dass er in der Nähe der IrinistraÃe war. Er rannte weiter und klopfte an Roza Morenos Tür.
Im Haus der Familie Moreno blieb er einige Stunden und fühlte sich sicher, sorgte sich aber um seine Freunde, mit denen er unterwegs gewesen war. SchlieÃlich, als er glaubte, die Polizei hätte die Suche nach einzelnen Demonstranten aufgegeben, warf er einen Blick auf die StraÃe hinaus. Er wollte prüfen, ob sie sicher war, aber auch, wie er sich eingestehen musste, nach Katerina Ausschau halten. Als er sie nirgendwo entdecken konnte, machte er sich mit schnellen Schritten auf den Weg in die NikistraÃe.
Seine Mutter war überglücklich vor Erleichterung, ihn zu sehen.
»Dimitri!«, rief sie und umarmte ihn fest. Er spürte die Tränen, die auf sein Hemd fielen. »Du warst dort, nicht?«
»Es tut mir leid, Mutter. Tut mir wirklich leid, du musst dir schreckliche Sorgen gemacht haben.«
»Ich hab nur gehört, dass Leute getötet wurden«, sagte sie. »Pavlina ist gerade mit der Neuigkeit gekommen ⦠ich dachte, du könntest darunter sein.«
»O mein Gott«, sagte Dimitri und machte sich von seiner Mutter los. »Keiner von uns war bewaffnet.«
»Und viele wurden schwer verwundet«, fügte sie hinzu. »Ich bin bloà froh, dass du hier bist.«
»Vassili war ganz vorn in der Menge. Ich muss unbedingt versuchen, ihn zu finden.«
Dimitri stürmte aus dem Haus und rannte durch die StraÃen zum Hospital. Bei einem Gang durch die Krankensäle konnte er sich davon überzeugen, dass sein Freund nicht unter den Verwundeten war, und voller Angst begab er sich in das nahe liegende Leichenhaus. Der Arzt im Hospital hatte ihm gesagt, dass man die Toten dorthin gebracht habe.
Als er sich dem Gebäude näherte, sah er ein vertrautes, vor Gram zerfurchtes Gesicht. Vassilis
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