Eine Geschichte von Liebe und Feuer
sprachen sie kein Wort.
Gelegentlich erklang ein unterdrückter Fluch, wenn die Würfel nicht als Pasch landeten. Während des ganzen Spiels herrschte Krieg, und eine Stunde lang waren ihre Augen ausschlieÃlich aufs Brett gerichtet. Dimitri wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab, Elias benutzte seinen Ãrmel. Erst wenn das Spiel vorbei war, setzte das Gespräch wieder ein, und Dimitri erkundigte sich meist nach Eliasâ Eltern und nach Katerina.
Da die Zwillinge nicht mehr zu Hause wohnten und Eugenia bis spätabends in der Teppichfabrik arbeitete, war Katerina fast zu einem Mitglied der Moreno-Familie geworden. Sie ging oft zum Abendessen hinüber und setzte sich an den früheren Platz von Sauls Mutter, die ein paar Monate zuvor gestorben war. Das Haus wirkte ein wenig leerer ohne ihre stille Anwesenheit.
An den meisten Abenden blieb sie noch eine Weile, arbeitete an einer Stickerei und genoss die Gesellschaft von Roza Moreno. Für beide war dies jedoch nicht Arbeit, sondern nur die Fortsetzung ihrer Lieblingsbeschäftigung, die sie glücklicherweise auch abends verrichten durften.
Elias sprach voller Bewunderung und Zuneigung von Katerina, und Dimitri wusste, dass es falsch war, auf seinen »Milchbruder« eifersüchtig zu sein, dennoch versetzte es ihm manchmal einen Stich.
Elias hatte sich selbst das Oudspielen beigebracht und trat gelegentlich in einer der Bars auf. Zu diesen Auftritten kamen immer auch Dimitri, Vassili und die anderen Studenten, denn Elias war inzwischen ein fester Bestandteil ihrer Gruppe geworden. Im Gegensatz zu ihnen war er ein berufs tätiger Mann und lebte in der realen Arbeitswelt, weit entfernt von den akademischen Sphären der Bibliotheken und Vorlesungssäle, aber das gemeinsame Interesse für Rembetiko schmiedete sie zusammen.
Musik und Musiker bildeten den Hintergrund der gemeinsamen Abende, und Politik war ihr Hauptgesprächsstoff.
Immer noch herrschten Armut und politische und wirtschaftliche Unsicherheit. Im ganzen Land brodelte es. In nur einem Jahrzehnt hatte es ein Dutzend Putschversuche und doppelt so viele Regierungswechsel gegeben, und das Pendel schwang ständig zwischen den Verfechtern und den Gegnern der Monarchie hin und her. Erst nach fast zwölf Jahren im Exil kehrte König Georg nach einer manipulierten Volksabstimmung schlieÃlich zurück.
Aufgrund der knappen Wahlergebnisse im Jahr 1936 errangen die Royalisten zwar die meisten Sitze, aber keine Mehrheit, um die Kommunisten auszuschalten. Dies erzeugte eine fragile Situation ohne klares Machtzentrum.
Die Polizei wurde mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und konnte nun jeden verhaften, der mit den Regierenden nicht einer Meinung war.
Vassili fand, dass es an der Zeit sei, endlich zu handeln, und versuchte, seine Freunde aufzurütteln.
»Diese Gefangenen haben nichts Falsches getan!«, schimpfte er. »Sie haben nur die Wahrheit gesagt: Dass sie unterbezahlt sind und ausgebeutet werden. Und das ist absolut richtig !«
»Es ist unlogisch, ungerecht â¦Â«
»Unerträglich!«, brüllte Vassili. »Wir müssen einfach etwas unternehmen!«
Dimitri wusste, wenn er sich mit seinem Vater auf eine Debatte über Recht und Unrecht und die Behandlung der Linken einlieÃe, würden sie sich heillos zerstreiten. Meistens gelang es ihm, dringliche Arbeiten für sein Studium vorzuschützen und zu behaupten, er müsse ins Labor oder habe wichtige Besprechungen mit Professoren, aber einmal pro Woche, hauptsächlich seiner Mutter zuliebe, aà er mit seinen Eltern zu Abend. Um Olgas willen, der er keine Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn zumuten wollte, vermied er alle kontroversen Themen, bemühte sich um leichte Konversation, erzählte vom Anatomieunterricht, erkundigte sich nach den Geschäften des Vaters und hielt ganz allgemein die Illusion aufrecht, dass er eines Tages in die Firma einsteigen würde.
Es war an einem Sonntagabend nach Ostern, und die wöchentliche Tortur war für den folgenden Abend geplant. Dimitri und Elias spielten tavli und wollten sich nach dem Match mit Vassili in ihrer Lieblingsbar treffen. Als sie das Kafenion verlieÃen, war es bereits nach elf, aber die Musiker, die sie hören wollten, würden vermutlich erst um Mitternacht auftreten.
Dimitri hatte nur ein Bier getrunken, weil er am nächsten Tag für anstehende Prüfungen lernen musste. Wenn er
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